Flüchtlinge im Ilm-Kreis Wohnraum wird dringend gesucht

Berit Richter und
Petra Enders erläutert die neuen Strukturen im Landratsamt. Foto:  

Landrätin Petra Enders appelliert erneut an die Bevölkerung, Wohnraum für ukrainische Kriegsflüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Mit bis zu 200 Ankommenden wird pro Woche gerechnet.

 
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„175 Wohnungen sind uns bisher gemeldet worden. Das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagte Landrätin Petra Enders (pl.) am Dienstag, als sie ein Update zur aktuellen Flüchtlingslage gab und erneut an die Bevölkerung appellierte: „Melden Sie uns bitte leer stehenden Wohnraum“.

Mit 150 bis 200 ukrainischen Kriegsflüchtlingen sei pro Woche im Ilm-Kreis zu rechen, so Enders weiter. Schon tags zuvor hatte sie im Bauausschuss des Kreistages berichtet: „Wir haben bisher 401 Menschen im Sozialamtsbereich registriert. Vom Land wurde signalisiert, dass im zweitägigen Rhythmus weitere 50 Bürger zu uns kommen.“ Laut Petra Enders sei das eine enorm große Anzahl an Menschen, die man auch bestmöglich unterbringen müsse.

Große Hilfsbereitschaft

Bisher sei die Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, das ehrenamtliche Engagement sehr groß, dafür danke sie ebenso wie für die Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter im Landratsamt.

Um die Wohnraum-Angebote zu koordinieren, habe man eine interne Wohnungsverwaltung aufgebaut, die durch Referentin Melanie Tippel betreut wird, erklärte Enders. Ein weiteres Team kümmert sich darum, die angebotenen Wohnungen zu besichtigen, gegebenenfalls zu sanieren und zu möblieren.

„Es gibt Wohnungen, die sind in einem Zustand, dass wir sie direkt weitergeben können, was wir natürlich auch tun“, so Petra Enders. Andere Wohnungen seien jedoch in einem Zustand, der Renovierungen beziehungsweise Sanierungen nötig mache. Melanie Tippel vereinbare deshalb mit allen Vermietern Termine, um durch Vor-Ort-Besichtigungen den Zustand einzuschätzen. Bis Freitag solle diese Besichtigung abgeschlossen sein.

Wegen der sanierungswürdigen Wohnungen, so die Landrätin, habe sie sich am letzten Freitag mit den Städten und Gemeinden zusammengetan; Gespräche mit Bürgermeistern geführt, und sich verständigt, dass die örtlichen Bauhöfe bei den Sanierungen unterstützen. Auch mit Bildungsträgern und Vereinen habe man dazu gesprochen. Ebenso habe man intern einen Bereich „Möblierung“ geschaffen; dabei sei der Abfallwirtschaftsbetrieb Ilm-Kreis (AIK) beteiligt, da dieser sehr gute Kontakte zu den Möbelkammern habe.

Des Weiteren habe der Kreis auch beim Schullandheim in Dörnfeld wegen der Unterbringung von Flüchtlingen angefragt. Hier seien schon Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine untergebracht; insgesamt stünden rund Hundert Plätze zur Verfügung. Auch in der Jugendherberge in Ilmenau wurde der Kreis vorstellig, wo ab dem 1. April Menschen aus der Ukraine aufgenommen werden sollen, hier gibt es etwa 120 Plätze. Auch im Schülerfreizeitzentrum Ilmenau stünden 50 Plätze zur Verfügung. Angefragt worden sei auch das Schullandheim in Geraberg und die Jugendherberge in Gräfenroda. Diese stünden aber aufgrund bestehender Verträge nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.

„Wir werden allerdings mit Blick auf die steigenden Zahlen an Menschen, die unsere Hilfe benötigen, nicht umhinkommen, weitere Unterkünfte zu schaffen. Wir sind deshalb dabei, Turnhallen entsprechend auszustatten“, sagte Enders im Ausschuss. In der Turnhalle in der Arnstädter Karl-Liebknecht-Straße (Staatliches Berufsschulzentrum), sei bereits am Montag der Fußbodenbelag ausgelegt worden. Auch Feldbetten habe man schon aufgestellt.

Bitte um Verständnis

Auch die Ilm-Sporthalle in Ilmenau habe man bereits aus ihrem regulären Betrieb genommen, schaffe nun dort die Voraussetzungen zur Unterbringung von Flüchtlingen. Die Entscheidungen habe man sich nicht leicht gemacht, räumte Enders ein. Aber: „Wir kommen nicht umhin, Hallen zu nutzen, um die Spitzen abzudecken, die wir mit den vorhandenen Wohnungen nicht abdecken können“. Eine Priorisierung der Turnhallen sei vorgenommen worden. Dabei habe die Größe wie die vorhandene Infrastruktur eine Rolle gespielt.

Als Vorteile der Turnhallen nannte Petra Enders, dass diese bereits über Duschen und Toiletten verfügen. Natürlich brauche man noch zusätzliche Sanitärcontainer; dennoch sei schon die Basis vorhanden. Ebenso müsse man für die Kriegsflüchtlinge eine Essensversorgung sicherstellen; dies lasse sich dort besser lösen, als wenn ein Caterer etwa mehrere kleine Hallen anfahren müsste. Die Schulen seien über die Umnutzung der Hallen informiert, so Petra Enders am Montag. Schulsport könne bei nun besserer Wetterlage im Freien stattfinden. „Es gibt leider sehr viel Unverständnis, aber hier muss ich klar sagen: Wir haben die Aufgabe, den Menschen zu helfen, sie menschenwürdig unterzubringen, ihnen ein Dach über dem Kopf und ein Bett zu bieten. Es ist eine sehr dramatische Situation, in der sich die Menschen befinden und da sollte man Verständnis haben.“

Der jüngste Flüchtling sei gerade einmal vier Wochen alt; die Kinder, die hier ankämen, seien in einem verstörten Zustand; die hätten auf der Reise einiges erleben müssen. „Es sind 90 Prozent Frauen und Kinder, viele von ihnen kommen mit gar nichts und sie brauchen unsere Hilfe“, sagte Enders weiter.

Man prüfe auch die Unterbringung in Hotels und Pensionen. So hätten sich bereits Pensionen in Altenfeld und Gräfinau-Angstedt gemeldet. Ob gezielt die größeren Hotels in Ilmenau und Arnstadt angesprochen wurden, konnte Enders am Dienstag nicht sagen. Auch bemühe man sich, die 25 Wohnungen in Frauenwald, welche bereits in der Flüchtlingskrise 2015 hergerichtet worden, wieder zu bekommen. Dies sei damals über den Insolvenzverwalter der Häuser gelaufen, diesen habe man aber jetzt noch nicht erreicht. Doch auch dies sei angesichts der zu erwartenden Flüchtlingszahlen dann nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“.

Wohl keine kurzfristige Alternative kann das Aufstellen von Wohncontainern sein. Diese seien schlicht und einfach nicht zu bekommen, erklärte Petra Enders am Dienstag auf Nachfrage unserer Zeitung.

Logistik gefragt

Schon Duschcontainer, ja selbst Feldbetten zu beschaffen, erweise sich als schwierig. Bei Letzteren greife man vor allem auf den Bestand des Katastrophenschutzes zurück. „Ein paar haben wir aber auch noch anschaffen können“, so Enders weiter. Nicht die einzige logistische Frage, die zu klären sei. So brauche man zum Beispiel in den Turnhallen Gelegenheiten, die Wäsche zu waschen. „Oder Taschenlampen, damit man, wenn jemand nachts auf Toilette muss, nicht die große Hallenbeleuchtung anknipsen muss.“ Auf die Hilfe der Bundeswehr könne man diesmal nicht zählen, sagte Petra Enders. Erfreulich sei, dass die Menschen im Ilm-Kreis bereit seien zu spenden. „Um die Koordination der Hilfsgüter besser zu regeln, bedarf es noch einiger Organisation. Deshalb will der Kreis jetzt eine Halle in Arnstadt und eine in Ilmenau anmieten, in denen die Hilfsgüter zentral angenommen und registriert werden“, so Petra Enders. In Ilmenau habe man bereits ein konkretes Objekt im Auge. Um welches es sich handelt, wollte Enders aber am Dienstag noch nicht sagen. In Arnstadt suche man noch. Gebraucht würden rund 1500 bis 2000 Quadratmeter.

Auch den Partnerkreis Konin in Polen werde man mit Spenden unterstützen, so Enders weiter. In der Halle gegenüber dem Arnstädter Melissantes-Gymnasium habe man Spenden angenommen. Am Freitag gehe ein 40-Tonner nach Polen. „Benötigt werden weiterhin Kinderbetten. Decken, Arzneimittel, Kindernahrung und so weiter“, zählte sie auf.

Aber natürlich müsse sich der Kreis nicht nur um Unterkunft und Hilfsgüter, sondern auch die weitere Versorgung der Kriegsflüchtlinge Gedanken machen. „Unsere Aufgabe wird sein, trotz der angespannten Lage in den Einrichtungen Kinderbetreuungsangebote vorzuhalten. Wir haben schon bei den Städten und Gemeinden nachgefragt und werden es bewerkstelligen können“, sagt Petra Enders.

Auch bei den Schulen habe man geschaut, wo es noch Kapazitäten gebe. Vor allem im südlichen Kreisgebiet, aber auch in Osthausen sehe es da gut aus. Zudem könne man die kürzlich leer gezogenen Räume der ehemaligen Bechstein-Schule auf dem Rabenhold nutzen. Dies hieße aber auch, dass Wohn- und Schulort nicht unbedingt in der gleichen Kommune sei. Man stehe bereits mit der IOV in Gesprächen, um den Schülertransport zu organisieren.

Über den Bildungskoordinator habe der Kreis zudem zusammenstellen lassen, welche Träger welche Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache anbieten. In puncto Arbeit erklärte die Landrätin, dass jeder Flüchtling sofort mit der Registrierung bei der Behörde eine Arbeit aufnehmen könne. Und auch mit Medizinern habe man sich vernetzt, die Hilfe in der Muttersprache anbieten könnten.

Derweil kommen auch weiterhin Flüchtlinge und Asylsuchende aus anderen Regionen der Welt in den Ilm-Kreis. Für diese reiche die Kapazität in den zwei Sammelunterkünften aber aus, so Enders.

Kosten vollkommen offen

Welche finanziellen Auswirkungen all das auf den nach wie vor nicht beschlossenen Kreishaushalt haben wird, ist derzeit vollkommen offen. Dienstagvormittag hatte sich Landrätin Petra Enders mit den Fraktionsvorsitzenden getroffen. Die erhoffte Einigung sei ausgeblieben, sagte sie. Im Moment könne man nicht einschätzen, welche Kosten auf den Landkreis zukämen, auch nicht, inwieweit es finanzielle Hilfe von Bund und Land gäbe. Trotzdem hätte sie gern die entsprechenden Haushaltsposten schon jetzt erhöht.

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