Orcas jagen in der Gruppe Wale, die deutlich größer sind als sie selbst
Die Speerfisch-Gruppen ändern sich also laufend. „Das ist bei Zahnwalen anders, von denen viele hochsozial leben und feste Bindungen zueinander haben“, erklärt Fabian Ritter. Der Meeresbiologe aus Berlin ist Experte für Wale und engagiert sich als Vorsitzender des von ihm gegründeten Vereins M.E.E.R. eV seit 30 Jahren für den Schutz von Walen und Delfinen. „Einige dieser Gruppen bestehen aus Verwandten, bei vielen Arten schließen sich aber auch nicht verwandte Tiere dauerhaft zusammen“, schildert Ritter die Zusammensetzung solcher Verbände.
Gut bekannt sind Gruppenjagden besonders bei Delfinen, deren größte Vertreter die Orcas sind, auch Schwertwale genannt. Ähnlich wie Wölfe und Löwen an Land hetzen die großen, normalerweise sieben bis acht Meter langen Tiere noch größere Beute wie Buckelwale oder sogar die 30 Meter langen Blauwale so lange, bis diese langsamer werden. Jetzt kreisen sie ihr Opfer ein, beißen und rammen ihre Beute, die sie so weiter schwächen, bis sie schließlich am Ziel sind.
Da Orcas über hundert Jahre alt werden können, haben sie reichlich Zeit, das Teamwork in ihrer Gruppe zu lernen und immer weiter zu verbessern. Dabei wenden sie zum Beispiel vor den Küsten im Norden Norwegen durchaus Methoden an, die verblüffend an das Verhalten der Fächerfische und Gestreiften Marline vor der Halbinsel Niederkalifornien ähneln: Mehrere Orcas schwimmen dort um einen Schwarm Heringe herum, denen sie ihre blitzweißen Bäuche zeigen, und treiben ihre Beute so noch enger zusammen. Dann schlagen sie mit ihrer mächtigen Schwanzflosse mitten in den Schwarm hinein und betäuben so etliche der Fische, die dann leichte Beute sind. „Das klappt mit zunehmender Übung immer besser“, erklärt Ritter.
Beeindruckend ist auch die raffinerte Jagd einiger Orca-Gruppen in den Gewässern der Antarktis. Zunächst spähen sie aus, ob auf einer Eisscholle vielleicht eine Robbe ein Nickerchen hält. Dann schwimmen mehrere Schwertwale dicht unter der Wasseroberfläche nebeneinander schnell so auf die Scholle samt Beute zu, dass sich die Bugwellen der Tiere zu einer stattlichen großen Welle aufschaukeln, die dann die Robbe von ihrem Ruheplatz spülen kann. Im Wasser aber haben diese Säugetiere keine Chance gegen die viel größeren Orcas, die ebenfalls Säugetiere sind, und sind leichte Beute.
Große Tümmler spülen ihre Beute mit einer Welle auf Schlammbänke
Ähnlich gut eingeübte Gruppenjagd-Kulturen gibt es auch bei vielen anderen Delfin-Arten wie dem Großen Tümmler. An den sumpfigen Küsten und Kanälen Floridas schwimmen diese Tiere ebenfalls nebeneinander und erzeugen mit ihren kombinierten Bugwellen eine so große Welle, dass diese etliche Fische auf die bei Ebbe trocken liegenden Schlammbänke schwemmt. Von dort holen sich die Tümmler ihre Beute dann in einem zweiten Anlauf, bei dem sie auf der Seite liegend auf die Schlammbank schlittern. „Weil sie dabei meist auf der gleichen Seite rutschen, sind dort die Zähne einseitig abgeschliffen“, schildert Ritter eine Folge dieser Methode. „Auch diese Methode wird über Generationen weiter gegeben und erfordert sehr viel Übung, weil der Schwung ja nicht zu groß sein darf, damit die Tümmler wieder ins tiefe Wasser zurück kommen.“
Bei ihren Gruppenjagden setzen die Großen Tümmler manchmal auch auf Teamwork mit anderen Arten. Dabei schwimmen die Delfine bei der Stadt Laguna im Süden Brasiliens parallel zu einem Strand, um Meeräschen zu jagen. Wenn sie eine Gruppe dieser Fische entdeckt haben, tauchen die Tümmler ab und weisen die andere Art mit einer typischen, rollenden Bewegung darauf hin, dass unter Wasser fette Beute wartet. Diese andere Art besteht aus Menschen, die solche „Gesten“ der Delfine gut verstehen: Die Fischer werfen dann ihre Netze auf die Fischschwärme und machen so gute Beute. „Diese gemeinschaftliche Jagd ist seit Generation von Menschen und Tümmlern gut eingeübt“, erklärt Ritter. Angeblich gibt es diese Kooperation bereits seit 1847. Noch nicht geklärt ist allerdings, ob die Wurfnetze der Menschen vielleicht Meeräschen zu den Tümmlern treiben und so auch deren Ernte verbessern.