Spukgestalten zu Halloween Der echte Dracula war ein nach Blut dürstender Fürst

Markus Brauer

Vor 126 Jahren erschien Bram Stokers Schauerroman „Dracula“. Seit kurzem läuft die neueste Dracula-Verfilmung „Die letzte Fahrt der Demeter“ in den Kinos. Der berühmteste Blutsauger der Literatur- und Filmgeschichte ist nicht totzukriegen – wie sein historisches Vorbild, Fürst Vlad III. Drăculea. Eine neue Studie vermittelt Einblicke in die Krankenakte des „Pfählers“ aus Transsilvanien.

 
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Klaus Kinski als blutsaugender Vampir in dem Gruselklassiker von 1979 "Nosferatu - Phantom der Nacht". Foto: Imago/Everett Collection

Vor 126 Jahren entstieg ein nach menschlichem Blut dürstender Untoter seiner Gruft ins Reich der viktorianischen Gruselliteratur, um zum berühmtesten Vampir der Literaturgeschichte zu avancieren. Für den Tag der Veröffentlichung sollen 3000 Exemplare des 390 Seiten dicken Buches „Dracula“ von Bram Stoker (1847 bis 1912) mit gelbem Leineneinband und rotem Titel ausgeliefert worden sein. Auf Deutsch erschien die Schauergeschichte erstmals 1908.

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Der irische Schriftsteller Bram Stoker wurde durch seinen Roman Dracula berühmt. Foto: Imago Images
Englische Ausgabe von Bram Stokers „Dracula“. Foto: Imago/UIG
Das historische Vorbild: Fürst Vlad III. Drăculea aus Transsilvanien. Im 15. Jahrhundert kämpfte er als Heerführer des Fürstentums Walachei gegen die Osmanen (kolorierter Holzschnitt aus dem 15. Jahrhundert). Foto: dpa/Bayerische Staatsbibliothek
Überlieferungen zufolge soll Vlad zehntausende Menschen gefoltert und gepfählt haben, was ihm den Beinamen Tepeș – der Pfähler einbrachte. Foto: Imago/Gemini Collection

Graf Dracula und Fürst Vlad III. Drăculea

Das historische Vorbild für den literarischen Fürst der Finsternis ist Fürst Vlad III. Drăculea – „Sohn des Drachen“ – aus Transsilvanien im heutigen Rumänien, geboren 1431, gestorben 1477. Im 15. Jahrhundert stellte sich der Woiwode (eine Art slawischer Heerführer) des Fürstentums Walachei dem Ansturm der Osmanen mit äußerster Brutalität entgegen. Überlieferungen zufolge soll Vlad zehntausende Menschen gefoltert und gepfählt haben, was ihm den Beinamen Tepeș – der Pfähler einbrachte.

Bram Stoker ließ sich für seinen literarischen Blutsauger von älteren Vampirromanen, volkstümlichen Legenden und Berichten aus Transsilvanien – besser bekannt als Siebenbürgen – anregen. Da er selbst nie in die Karpaten reiste, holte er sich seine gruseligen Eindrücke aus Archiven und Bibliotheken.

Paraderolle für große Mimen

Viele Mimen haben sich in die Rolle des Draculas hineinverbissen: Max Schreck, Bela Lugosi, Christopher Lee, Klaus Kinski, Gary Oldman, Willem Defoe.

Christopher Leein seiner Paraderolle als Graf Dracula (man beachte die blutunterlaufenen Augen). Foto: Imago/agefotostock
„Nosferatu: Phantom der Nacht“ aus dem Jahr 1979 mit Klaus Kinski als Vampir (re. mit Bruno Ganz), 1979 Foto: Imago/Everett Collection

Seit 17. August läuft das neueste Vampir-Kapitel in den Kinos: der norwegische Horrorfilm „Die letzte Fahrt der Demeter“ über die Reise des Segelschiffs „Demeter“ von den Karpaten nach London mit dem untoten Dracula an Bord.

Studie enthüllt Krankheiten des historischen Fürsten Vlad III. Drăculea

Doch auch jenseits der Leinwand wird dem historischen Drăculea neues Leben eingehaucht. Forschende um Maria Pittala von der Universität Catania haben sich ein Bild von den gesundheitlichen Gebrechen des berüchtigten Fürsten und Vampirvorbilds machen können.

Ihre Studie ist in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Analytical Chemistry“ erschienen.

Analyse von drei Originalbriefen von Fürst Vlad III.

Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler drei originale handschriftliche Briefe des Fürsten aus, die er in den Jahren 1457 und 1475 an die Oberen der rumänischen Stadt Sibiu geschrieben hatte.

Die Briefe ruhten mehr als 500 Jahre lang fast unberührt in den Archiven der Stadt und sind nahezu perfekt erhalten geblieben.

Erster Brief von Vlad III., (Archiv-Katalog-Nummer II 365), vom 4. August 1475. Foto: © Analytical Chemistry, 2023, doi: 10.1021/acs.analchem.3c0146/1
Zweiter Brief von 1475 (Archiv-Katalog-Nummer III 32 N 484). Foto: © Analytical Chemistry, 2023, doi: 10.1021/acs.analchem.3c0146/1
Dritter Brief von 1457 (Archiv-Katalog-Nummer V 1658). Foto: © Analytical Chemistry, 2023, doi: 10.1021/acs.analchem.3c0146/1
Unter dem Massenspektrometer wurden biologische Spuren des Briefeschreibers sichtbar (hier der erste Brief von 1475). Foto: © Analytical Chemistry, 2023, doi: 10.1021/acs.analchem.3c0146/1

Blutige Tränen: Biologische Spuren lassen auf Hämolacria schließen

Auf dem Papier der Briefe waren biologische Restspuren von Vlad Drăculea zu finden wie Talg, Schweiß, Hautschuppen und Proteine, die selbst hunderte Jahre später noch nachweisbar sind. Mit Hilfe des Massenspektrometrie-Verfahrens analysierten die Experten Molekülproben und fanden auf den Briefen insgesamt 575 Peptide (einer speziellen Gruppe von Proteinen mit weniger als zehn Aminosäuren) menschlichen Ursprungs.

Unter diesen waren auch die Reste von 16 Proteinen, die von Fürst Vlad III. stammen könnten. „Drei dieser Peptide sind mit Proteinen der Netzhaut und der Tränen assoziiert“, schreiben die Forscher. „Auch Peptide, die auf Blutproteine oder Proteine der Atemwege zurückgehen, wurden auf allen Dokumenten identifiziert.“

Die Analysen deuten darauf hin, dass Vlad Drăculea an Hämolacria litt – einer Störung, durch welche die Tränenflüssigkeit Blut enthält. „Er könnte demnach mit Blut gemischte Tränen geweint haben.“ Historischen Berichten soll Vlad III. unter dieser Krankheit gelitten haben.

Protein-Fragmente vom Pest-Bakterium „Yersinia pestis“

Auf den drei Briefen entdeckten die Wissenschaftler zudem rund 1000 Protein-Fragmente, die von Bakterien oder Viren stammen wie dem Pestbakterium „Yersinia pestis“. „Dieses Bakterium verursachte von 1347 bis 1352 den Tod von gut 25 Millionen Menschen in Europa und es dauerte 150 Jahre, bis sich die europäische Bevölkerung von dieser Katastrophe erholte“, erklären die Forscher.

Ob der Fürst selber an Pest erkrankt war, ist den historischen Berichten zufolge eher unwahrscheinlich. Aber Siebenbürgen war zu seinen Lebzeiten ein Schmelztiegel zahlreicher Völker, die viele Krankheiten im- und exportierten.

„Zwar können wir nicht ausschließen, dass im Mittelalter auch andere Menschen diese Briefe angefasst haben, aber es ist anzunehmen, dass die prominentesten Proteine von dem Menschen stammen, der diese Briefe schrieb und unterzeichnete – Fürst Vlad III.“, lautet das Fazit der Wissenschaftler.