Bei Twist-Endings wie bei "The Sixth Sense" und "Fight Club" unterscheidet die Filmwissenschaft grob vier Möglichkeiten, die natürlich auch gemischt werden können: den narrativen Twist (Annahmen über die erzählte Welt waren falsch), den perzeptiven Twist (Perspektive und Wahrnehmung war nicht zu trauen), den Set-up-Twist (Verschwörung wird aufgedeckt) und den Wake-up-Twist (es wird aus einem Traum oder einer Halluzination erwacht). Je klassischer vorher erzählt wird, desto größer ist der Wow-Effekt.
Im Psychothriller "Fight Club" mit Edward Norton und Brad Pitt lernt der von seinem Leben gelangweilte Protagonist auf einer Dienstreise im Flugzeug den dubiosen Tyler kennen, mit dem er später harte Faustkämpfe austrägt - als Gegenentwurf zum Funktionieren im kapitalistischen System feiert er gewalttätige Männlichkeit und Selbstzerstörung als Selbstbestimmung. Tyler ist Anarchist, macht all das, was der Protagonist sich nicht traut.
"Ich sehe tote Menschen"
In "The Sixth Sense - Nicht jede Gabe ist ein Segen" mit Kinderstar Haley Joel Osment und Bruce Willis leidet der neunjährige Cole unter übernatürlichen Fähigkeiten. Erst dem Kinderpsychologen Malcom Crowe vertraut der kleine Cole sich an: "Ich sehe tote Menschen (...). Sie laufen durch die Gegend wie normale Menschen. Sie können sich gegenseitig nicht sehen. Sie sehen nur, was sie sehen wollen. Sie wissen nicht, dass sie tot sind."
Keine Sorge: Hier wird nicht gespoilert, der Clou wird nicht verraten. Doch so viel sei gesagt: "Plot Twist" (auf Deutsch etwa: Handlungsdrehung) ist eigentlich ein irreführendes Wort. Denn am Ende ändert sich ja nicht die Handlung, sondern es zeigt sich eine andere Bedeutungsebene, das Wissen über das Verhältnis der Figuren zueinander wandelt sich.
Natürlich gab es schon vor den Twist-Ending-Klassikern "Fight Club" und "Sixth Sense" Filme mit Twist-Momenten - also Werke, bei denen sich ein gewaltiger Überraschungseffekt auftat. Frühe Beispiele sind etwa "Das Cabinet des Dr. Caligari" von Robert Wiene (1920), auch "Citizen Kane" von Orson Welles (1941), "Zeugin der Anklage" von Billy Wilder (1957) sowie natürlich "Die rote Lola" (1950) oder "Psycho" (1960) - beide von Alfred Hitchcock.
In den 90ern produzierte Hollywood im Thriller-Boom seit dem Kassenhit "Das Schweigen der Lämmer" mit Jodie Foster und Anthony Hopkins Filme wie David Finchers Serienmörder-Epos "Sieben", den Krimi "Die üblichen Verdächtigen" von Bryan Singer sowie Finchers Läuterungsthriller "The Game" mit Michael Douglas und Sean Penn.
Seit 2000 immer mehr Plot-Twist-Hits von "Memento" bis "Saltburn"
Doch erst nach 1999 schienen es immer mehr Filme zu werden, die Zuschauerinnen und Zuschauern einen sogenannten Mindfuck zutrauten, wie heute ein gern genutzter Begriff lautet, wenn ein Film mentale Anstrengung erfordert. Sei es, dass es eine überraschende Wendung gibt, ungewöhnliche Zeitstrukturen oder keine eindeutige Auflösung.
Im Jahr 2000 kam "Memento" von Christopher Nolan raus, 2001 erschienen zum Beispiel "The Others", "Donnie Darko" und "Mulholland Drive", 2010 "Shutter Island" und "Inception", 2013 gab es "Die Unfassbaren", 2014 "Gone Girl", 2017 "Get Out", 2019 "Parasite", 2020 "The Father", 2022 "The Menu" und "Triangle of Sadness", 2023 "Saltburn" und "All of Us Strangers". Der Twist ist jedes Mal anders - aber er schlägt zu.