Am Samstag werden die Preise des Filmfestivals in Cannes vergeben. 21 Filme konkurrieren um die Goldene Palme. Wer sind die Favoriten?
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Vor dem Ende der Filmfestspiele in Cannes gibt es auch deutsche Favoriten für die Preise. Eine Handvoll Filme konnte besonders viele Kritikerinnen und Kritiker überzeugen. Darunter sind die beiden Wettbewerbsbeiträge, in denen Sandra Hüller mitspielt. Die 45-Jährige hat damit gute Chancen auf den Preis als beste Darstellerin.
Viele Leute waren außerdem von Wim Wenders’ Wettbewerbsbeitrag begeistert. Sein Film „Perfect Days“ spielt in Tokio und erzählt von einem Mann namens Hirayama (Koji Yakusho), der als Toilettenreiniger arbeitet und mit seinem einfachen Leben zufrieden ist. „Es kam tief aus meiner Seele“, sagte Wenders am Freitag in Cannes über das Filmprojekt und verwies gleichzeitig auf den Co-Autor des Drehbuchs, Takuma Takasaki.
Viele internationale Kritikerinnen und Kritiker schrieben nach der Premiere positiv über Wenders’ Film, lobten etwa dessen Klarheit und Tiefe. Wenders habe einen Film von „trügerischer Einfachheit“ geschaffen, schrieb etwa das US-Magazin „Hollywood Reporter“, „indem er die winzigen Details einer alltäglichen Existenz mit einer solchen Klarheit, Seelenstärke und Empathie beobachtet, dass sie eine kumulative emotionale Kraft aufbauen, ohne, dass man es merkt“.
Viel Lob hatte es auch für den Film „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer gegeben. Darin spielt Sandra Hüller die Frau des KZ-Kommandanten Rudolf Höß namens Hedwig. Der Film, der auf einem Roman des kürzlich gestorbenen Autors Martin Amis basiert, wurde für seinen besonderen erzählerischen Zugang zum Holocaust gelobt. Glazer fokussiert sich auf das häusliche Leben von Höß und seiner Familie, die direkt am KZ Auschwitz ein luxuriöses Haus bewohnten. Von Auschwitz sehen die Zuschauer nur die Außenmauern oder einen rauchenden Schornstein. Schreie sind zu hören, während Hedwig ihren stattlichen Garten abschreitet oder dem Baby Blumen zeigt. Das Grauen wird durch den starken Kontrast zum Leben der Familie Höß deutlich.
In „Anatomy of a Fall“ verkörpert Hüller die Autorin Sandra, die sich nach dem Tod ihres Mannes vor Gericht verantworten muss. Das Drama von Justine Triet überzeugte vor allem die französische Kritik. Obwohl große Teile des Films im Gerichtssaal spielen, geht es dem Werk nicht vordergründig darum, aufzuklären, was passiert ist. Stattdessen handelt das Drama von der Grenze zwischen Fiktion und Realität und dem Scheitern einer Ehe.
Sehr gute Kritiken bekam die Tragikomödie „Fallen Leaves“ von Aki Kaurismäki. Der finnische Regisseur ist zum fünften Mal im Rennen um die Goldene Palme und hat sich eine treue Fan-Gemeinde erarbeitet. Eine Auszeichnung wäre wohl als Ehrung seines Lebenswerks zu verstehen. „Fallen Leaves“ erzählt von zwei einsamen Menschen am Rande der Gesellschaft, die auf der Suche nach Liebe sind. Die Supermarktangestellte Ansa hat gerade wegen der Mitnahme eines abgelaufenen Sandwiches ihre Arbeit verloren. Der alkoholsüchtige Bauarbeiter Holappa taumelt ebenfalls von einem Job zum nächsten. Ohne viele Worte finden die beiden zueinander - und drohen dann wieder, sich zu verlieren. Kaurismäki erzählt hier, wie üblich, ein karges Märchen, das mit seinem Humor die Kinozuschauer begeisterte.
Im Wettbewerb waren viele Hollywood-Stars zu sehen. Zum Beispiel in Wes Andersons Film „Asteroid City“, der wegen fehlender erzählerischer Tiefe aber eher verhaltene Kritiken bekam.
Anders war das bei „May December“ von Todd Haynes. Natalie Portman spielt darin eine Schauspielerin, die den Skandal über eine Beziehung von Gracie (Julianne Moore) mit einem deutlich jüngeren Mann verfilmen will. Gracie hatte in den 90er Jahren mit Mitte 30 eine Affäre mit einem erst 13-jährigen Schüler angefangen und kam dafür ins Gefängnis. Inzwischen sind die beiden verheiratet. „May December“ zeigt zwei Schauspielerinnen in Höchstform, das Drama wurde außerdem für seinen Humor und seine Tiefe gepriesen.
Im Gedächtnis blieb auch „Four Daughters“ der tunesischen Regisseurin Kaouther Ben Hania. Der Film kombiniert fiktionale mit dokumentarischen Elementen und erzählt die Geschichte der Tunesierin Olfa Hamrouni. Sie wurde 2016 bekannt, als sie die Radikalisierung ihrer Töchter öffentlich machte. Die beiden hatten im Teenager-Alter Tunesien verlassen, um an der Seite des sogenannten Islamischen Staates (IS) in Libyen zu kämpfen. Inzwischen sitzen sie im Gefängnis.
Noch wurden allerdings nicht alle 21 Wettbewerbsfilme gezeigt. Freitagabend sollten noch die beiden letzten Filme folgen.
Vergangenes Jahr gewann die Satire „Triangle of Sadness“ von Ruben Östlund den Hauptpreis. Der schwedische Regisseur ist dieses Jahr der Präsident der Jury. Erst zweimal in der Geschichte des Festivals, das dieses Jahr zum 76. Mal stattfand, gewann eine Frau die Goldene Palme. Die Abschlusszeremonie beginnt am Samstag um 20.30 Uhr.
2022: „Triangle of Sadness“ von Ruben Östlund
2021: „Titane“ von Julia Ducournau
2020: Filmfestspiele wegen Pandemie nicht veranstaltet.
2019: „Parasite“ von Bong Joon-ho
2018: „Shoplifters – Familienbande“ von Hirokazu Koreeda
2017: „The Square“ von Ruben Östlund
2016: „Ich, Daniel Blake“ von Ken Loach
2015: „Dämonen und Wunder“ von Jacques Audiard
2014: „Winterschlaf“ von Nuri Bilge Ceylan
2013: „Blau ist eine warme Farbe“ von Abdellatif Kechiche