Kreative Spielpläne
Die ganze Bandbreite kleinerer Besetzungen zeigt das Theater Erfurt , das vier neue Musiktheater-Produktionen plant, wobei das Orchester auf der Bühne sitzt. Das Spektrum reicht von der turbulenten Operncollage "Drunter und Drüber" bis zu Mozarts Mini-Oper "Der Schauspieldirektor".
Das Theater Altenburg-Gera schmeißt den regulären Spielplan bis Dezember um. Nur die Hälfte der vorgesehenen Produktionen sei auch unter Corona-Bedingungen umsetzbar, hat die Intendanz erklärt.
Am Meininger Theater gilt zunächst bis Ende Oktober ein Sonderspielplan. Am 25. September läuft die Premiere von Luke Bedfords Opernkrimi "Through His Teeth". Das Stück erfordert drei Sänger und acht Musiker; damit ist es infektionstechnisch eher unproblematisch.
Kleinbesetzungen gibt es auch am Theater Nordhausen , wo Tschaikowskis große romantische Oper "Eugen Onegin" ohne Orchester und Chor auskommen muss. Man behilft sich stattdessen mit zwei Pianisten auf der Bühne.
Das Coburger Landestheater versucht es mit einem Frank Sinatra-Song-Abend (auf der Bühne stehen ein Jazz-Trio und zwei Sänger) und der Mono-Oper "Das Tagebuch der Anne Frank" als Solo-Stück mit einer Stunde Aufführungsdauer und ohne Pause.
Ratlosigkeit besteht überall, was den Chor angeht. Auch auf großen Bühnen lässt sich der geforderte Abstand zwischen den Sängern nicht einhalten. Deshalb hat die Berliner Staatsoper als erste Opernvorstellung nach der Sommerpause die chorlose "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss vorgesehen, deren Orchester so spärlich besetzt ist, dass man im Graben auf Lücke sitzen kann. Von den 1300 Plätzen will man rund 370 besetzen.
Ohnehin bereitet der Infektionsschutz für die Theatergänger vergleichsweise geringste Probleme: Bei kaum einer anderen Menschenmenge lässt sich so genau feststellen, wann wer kommt, wer wo sitzt. Und das Opernpublikum selbst ist wohl das artigste, das man sich denken kann.
Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, hält nichts von der Hängepartie eines Sonderspielplans. Er hat eine komplette erste Spielzeithälfte präsentiert, die den neuen Anforderungen Rechnung trägt. Dabei wird das Orchester in sämtlichen Vorstellungen auf 16 Musiker reduziert.
Obwohl das Haus in den letzten Monaten fast fünf Millionen Euro Verlust eingefahren und 90 Prozent der Mitarbeiter auf Kurzarbeit gesetzt hat, begreift Kosky die Einschränkungen vor allem als künstlerische Herausforderung.
Voluminöse Kleider
In seiner eigenen Neuinszenierung von Jacques Offenbachs Operette "Die Großherzogin von Gerolstein" löst er das Abstandsproblem, indem er besonders voluminöse Kostüme schneidern lässt, die Distanz erzwingen. Außerdem wird für die Premiere am 31. Oktober mit zwei getrennten Besetzungen geprobt: Falls die eine in Quarantäne muss, übernimmt die andere. Barrie Koskys Enthusiasmus lässt an jene alten Theater-Compagnien denken, die noch in jeder Lebenslage und unter übelsten Umständen eine tolle Show boten.
Experimentierfreudig geht man aber auch am Weimarer Nationaltheater vor. Hier wird unter dem Titel "In den Seilen (Vom Ende)" ab 11. September zu einem Theater-Rundgang eingeladen. Streicher der Staatskapelle und Jazzmusiker stromern dann auf den Spuren von Monteverdi durchs Haus.
Wirtschaftlich arbeiten können die Theater schwerlich, solange sie nur einen Bruchteil der Sitzkapazitäten verkaufen. Bislang wird aber nicht befürchtet, dass Staats- und Landestheater hierzulande in Schwierigkeiten kommen. Sie erhalten einen Sonderzuschuss aus der Thüringer Landeskasse. Für die zahlreichen privat geführten Häuser hat die Krise jedoch böse Folgen.