Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain (1835-1910) erzählt, wie er einmal einem Missionar zuhörte, der von der Not der Schwarzen berichtete. Zu Tränen gerührt greift der berühmte Autor nach dem Scheckbuch. Doch: "Der Missionar aber redete und redete, und die Sache wurde mir allmählich langweilig. Ich ließ die Idee mit dem Scheckbuch fallen und ging auf fünf Dollar zurück. Der Missionar redete. Ich dachte: Ein Dollar genügt. Der Missionar redete. Und als er fertig war, legte ich zehn Cents auf den Teller." Wie kann man Menschen von einer guten Sache überzeugen? Klar, mit guten Argumenten. Je mehr Argumente wir finden, so denken wir, desto besser. Stimmt aber nicht. Wer zu viel redet, weckt oft nur Desinteresse und Skepsis. Forscher der Anderson School of Business und der Georgetown Universität haben herausgefunden: Drei Argumente sind optimal. Wer dagegen die Menschen regelrecht zuschüttet mit Informationen, Erklärungen und Beweisen, der bewirkt nicht nur keinen Überzeugungszugewinn, sondern schwächt die ganze Argumentation.

Vor allem verfestigte politische Einstellungen kann man mit noch so vielen guten Gründen nicht so leicht erschüttern. Im Rahmen einer Studie wurden in den USA vor einiger Zeit Anhänger der Republikaner und der Demokraten jeweils mit Twitter-Nachrichten der Gegenseite konfrontiert. Doch das ließ sie in ihrer Haltung nicht wankend werden. Im Gegenteil: Sie waren danach stärker polarisiert als zuvor und hielten selbst an Behauptungen fest, die längst als hinreichend widerlegt gelten konnten. Sogar dann, wenn Argumente inhaltlich wirken, führen sie nicht unbedingt dazu, das Verhalten von Menschen zu ändern: So wurden Eltern nach ihrer Einstellung zur Masern-Mumps-Röteln-Impfung befragt. Anschließend legte man ihnen Studienergebnisse vor, die den Nutzen und die Harmlosigkeit der Impfung klar belegten. Hartleibige Impfgegner waren dennoch nicht bereit, ihre Kinder impfen zu lassen. Wer einer bestimmten Ideologie verhaftet ist, regiert auf Gegenargumente eben oft nur mit Ablehnung und Trotz.

Warum Menschen selbst an fragwürdigen Ansichten und Ideologien verbissen festhalten, haben Neurowissenschaftler der University of Southern California erforscht und erstaunt festgestellt, "dass die Leute eher bereit waren, an Einstein als großem Physiker zu zweifeln als ihre politische Einstellung zu ändern". Politisches Denken, fanden die Wissenschaftler heraus, werde von bestimmten Gehirnzentren beeinflusst, die an Gefühlen wie Bedrohung und Angst beteiligt sind. Bei den Versuchspersonen, die Änderungen ihrer Überzeugung am stärksten widerstanden, waren diese Zentren deutlich aktiver als bei jenen, die bereit waren, ihre Meinung zu ändern. "Das stimmt mit der Vermutung überein, dass wir unsere Standpunkte weniger ändern, wenn wir uns ängstlich, bedroht oder emotional bewegt fühlen", so Studienleiter Jonas Kaplan. Und: "Politische Überzeugungen gleichen dem religiösen Glauben insofern, als beide Teil unserer Identität und wichtig für unser soziales Umfeld sind." In einer Zeit, da Populisten wie US-Präsident Donald Trump sich immer weniger um Fakten scheren und nur noch ihre eigene Wahrheit gelten lassen, sind die Erkenntnisse der kalifornischen Forscher hochaktuell.

In einer Demokratie herrscht permanent Streit. Das ist in Ordnung. Das Ringen um die beste Lösung gehört zum Wesen der Demokratie. Ein guter Streit setzt freilich voraus, dass man bereit ist, die eigene Position immer wieder zu hinterfragen und gegebenenfalls zu revidieren. Nicht jeder ist dazu willens und in der Lage. Zuerst und vor allem wollen wir ja Andere dazu bringen, sich zu unserer Meinung zu bekehren. Wer die Einstellung eines Menschen ändern will, wird deshalb allein mit Argumenten wenig erreichen. Helfen könnte jedoch ein Perspektivwechsel, der Versuch, sich in die Lage des Anderen zu versetzen. US-Bürger ließen sich dann eher davon überzeugen, dass Transsexuelle respektiert und gesetzlich geschützt werden sollten, wenn sie an der Haustür in ein kurzes Gespräch verwickelt und aufgefordert wurden, sich an eine Gelegenheit zu erinnern, bei der sie selbst herabgewürdigt oder diskriminiert worden waren.

Die Anekdote von Mark Twain veranschaulicht, dass das Anhäufen selbst guter Argumente oft nicht zielführend ist. Das kratzt ein wenig am Selbstbild des rational abwägenden homo sapiens. Aber Menschen sind nun einmal keine von Künstlicher Intelligenz gesteuerten Roboter, sondern Wesen, die sich stärker als sie glauben von Vorurteilen, Ängsten und Emotionen leiten lassen als von kühler Vernunft.