Dass die Staatskapelle den Auftakt ihrer Konzertsaison ins Kunstfest integriert, liegt auf der Hand. Das erste Sinfoniekonzert war aber nicht nur ein Kunst-, sondern zugleich ein Familien-Fest der besonderen Art. Mit dem ersten Klavierkonzert von Johannes Brahms und einer Uraufführung. In dieser selbstbewussten Reihenfolge. Ohne den gelegentlich angewendeten Veranstalter-Trick, die Zuhörer zuerst mit einer Novität zu konfrontieren, um sie dann mit Altbekanntem zu versöhnen.

Der Komponist der Uraufführung heißt George Alexander Albrecht (Jahrgang 1935), der Dirigent ist sein Sohn Marc und das Orchester der Klangkörper, dessen Chef Albrecht senior von 1996 bis 2002 war und dem der auch weiter in Weimar lebende Dirigent und Komponist nach wie vor eng verbunden ist.

Seine "Sinfonia di due mondi" ist ein Werk für großes Orchester und Mezzosopran. Für den Schluss hat er Textzeilen der ausgesprochen musikaffinen Lyrikerin und Autorin Ulla Hahn vertont. Den poetischen Titel ihres Romans "Wir werden erwartet" ergänzte er um einige Zeilen aus ihren Gedichten. Von der Mezzosopranistin Sayaky Shigeshima gemessen, präzise und mit Emphase beigesteuert, bilden sie einen grandiosen Schlusspunkt unter ein Werk, das vom ersten Ton an packt. Es entfaltet ein Eigenleben, in dem stets das Woher im Wohin mitschwingt. Das des Menschen. Und das der Musik. Auf Albrechts Wanderung übers Orchesterhochgebirge schweift der Blick beim Aufschauen und Durchatmen öfter einmal in Richtung der Mahler- oder Strauss-Massive am Horizont. Und lassen den Komponisten schmunzeln oder ausgelassen lachen, bei der Vorstellung, dass man von deren Pracht den Blick wenden sollte. In Weimar hört man den Blick. Und das Lachen.

Albrecht gelingt der Balance-Akt untergehakt zu gehen, es nach Strauss oder Mahler klingen zu lassen und sich gleichzeitig wie verschmitzt von diesen Wanderkameraden abzuheben. Was überrascht und fasziniert, ist der Witz und die Heiterkeit, die aufkommt. Und die Einschläge, die der Fröhlichkeit dazwischen klirren. Diese Musik ist immer voller Lust. Wenn sie schwelgt, Fährten legt oder abrupt zur Seite abbiegt.

Man kann ihm folgen wenn er die "zwei Welten" gegeneinander antreten lässt, wenn das Ideale des Geistes, das Schöne der Kunst von den Blitzschlägen der Verzweiflung attackiert wird, und so die beiden Welten lebendig werden, in denen Menschen leben. Am Ende bietet die menschliche Stimme Trost. Mit "Wir werden erwartet" und ein paar lyrische Verweise in Richtung dieser Wahrheit, die nur in der Hoffnung liegt, sind wie das Ziel mit der wunderbaren Aussicht, die dem Wanderer als Lohn winken.

Ohne Scheu

Die Musik zu diesen Zeilen ist angemessen melodisch, sie ist schön. So wie auf ihre Art die ganze, gerade mal 30 Minuten währende Sinfonie. Sie ist nicht glatt, denn sie erzählt auch von Gefahren und Anfechtungen. Aber sie verstört dabei nicht. Bekennt sich ohne Scheu zum Tonalen, zur Tradition, zum Romantischen.

Georg Alexander Albrecht hatte schon mit 22 Jahren 116 Werke komponiert. Dann wurde er Dirigent. Dem damals herrschenden Dogma einer avancierten Moderne, beugte er sich nicht, blieb als Dirigent bei sich und der Musik. Der Komponist in ihm lag 53 Jahre auf der Lauer, richtete sich 2009 wieder auf. Folgte dabei seinen Leitsternen, zu denen Brahms, Mahler und Strauss gehören, ohne sie zu verleugnen. Ein neoromantisch tonaler Personalstil, der ankommt. Und das ohne ausführliche Einführungen oder Erläuterungen. Albrecht traut sich, zu gefallen. Bestens geeignet, um das Aufeinandertreffen der due mondi, der zwei Welten, erlebbar zu machen.

Es hat den Komponisten sichtbar gefreut, dass ausgerechnet sein Sohn das erste Mal ein Werk des Vaters und dann auch gleich noch die Uraufführung seiner ersten Sinfonie dirigierte. Marc Albrecht (55) ist als Dirigent längst zu eigenem Ruhm gekommen - u.a. bei der Dutch National Opera Amsterdam. Man wünscht sich eine Wiederbegegnung. Und wartet auf eine zweite Sinfonie von George Alexander Albrecht. Standing Ovations nach der Uraufführung.

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