Ostrowski", erinnert sich Landolf Scherzer: "Wie der Stahl gehärtet wurde" - was für ein Roman! Fritz Waniek, Suhler Buchhändler, Chef des Volksbuchhandels im ehemaligen Bezirk, hatte eine "sehr, sehr alte Ausgabe" besorgt. Ein Geschenk für den damals, Anfang der Siebzigerjahre, noch jungen Schriftsteller und Zeitungsredakteur. Eine Seite hatte ein Eselsohr. Fritz Waniek hatte an dieser Stelle ein Zitat des Genossen Pawel Kortschagin etwas verändert. Das wichtigste im Leben sei, stand da, sich Büchern zu widmen. Wenig später hatte Scherzers erstes Buch, das "Südthüringer Panorama", im Waniek’schen Buchhaus Premiere.

Es sind seine ersten Erinnerungen an Fritz Waniek. Und von diesem Tag an sind sie einander verbunden geblieben. Die allermeisten seiner Bücher - über 20 - hat Landolf Scherzer in den folgenden Jahren im Suhler Buchhaus zur Premiere gebracht. Immer vor der Leipziger Buchmesse, das war dem Schriftsteller wichtig. Nicht so sehr, weil Suhl seine Heimatstadt ist. Sondern, weil ihm der Buchhändler Fritz Waniek dazu eingeladen hatte. Das war ihm eine Ehre. Scherzer nennt ihn einen "Kämpfer für Bücher", einen unglaublich belesenen und klugen Mann. Mitte der Achtzigerjahre, als sich die Wende noch nicht andeutete, hatte ihm Waniek bereits die jungen russischen Autoren ans Herz gelegt. Seine "Türöffner-Literatur" nennt Scherzer diese Bücher heute. Und als die Mauer gefallen war und Fritz Waniek einen kleinen Suhler Verlag gegründet hatte, war Scherzers "Am Sarg der Sojus. Die Hoffnung stirbt als Letztes" eines der ersten Bücher, die dort erschienen sind.

Die Hoffnung stirbt als Letztes - daran muss auch Fritz Waniek geglaubt haben. Zusammen mit seinen beiden Kindern hat er sein Buchhaus wie ein Schiff durch 30 Nachwende-Jahre manövriert, in der Buchhändler einer oft stürmische See trotzen mussten. Fritz Waniek aber hat Kurs gehalten - bis zu diesem November. Nach der Wende hatte er die Suhler Volksbuchhandlung gekauft. "Er wollte sie nicht der Treuhand überlassen", sagt Scherzer. Für ihn sei es weniger ein finanzielles Lebenswerk gewesen, sich eine eigene Buchhandlung zu leisten, etwas aufzubauen. "Er wollte einfach weiter von Büchern umgeben sein. Da war", erinnert sich Landolf Scherzer, " eine unglaubliche Lust".

Natürlich haben beide auch gerne und oft gestritten. Natürlich haben beide auch gerne ein Glas Rotwein miteinander getrunken. Und wenn Landolf Scherzer zurückdenkt, fällt ihm vieles ein, was Fritz Waniek auch getan hat: Kostenlose Weihnachtslesungen in Suhl organisiert, junge Autoren gefördert, den "Provinzschrei" unterstützt.

"Ich kann mich gut an sein Büro im Obergeschoss des Buchhauses erinnern", erzählt Hendrik Neukirchner. "1996 hatte ich Kontakt zu Fritz Waniek aufgenommen, weil ich seine Meinung zu meinen Texten und Gedichten hören wollte." Neukirchner hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass ihn der Buchhändler einladen würde, galt das Buchhaus Suhl in jener Zeit, in der Buchhandelsketten und Internethandel bei weitem noch nicht so mächtig waren, doch als Schwergewicht in der Thüringer Literaturszene. "Ich war total überrascht, zumal ich als Autor völlig unbekannt war." Fritz Waniek saß - schon damals mit schlohweißen Haaren - hinter einem mächtigen Schreibtisch. "Da lag tatsächlich ein Stapel Blätter mit meinen Gedichten. Er sagte mir, er möchte ein kleines Buch mit Texten von mir verlegen. Ich war begeistert."

Eindrucksvoll nennt Hendrik Neukirchner nicht nur das dunkle Büro mit den schweren Holzmöbeln, sondern auch die Größe von Fritz Waniek und seine "knorrige, meist etwas heißere Stimme." Vom ersten Gespräch an sei da eine Zuneigung gewesen. Und bald darauf erschien ein kleines Buch mit dem Titel "Aufgestanden und Weitergelebt". Zur Buchvorstellung kamen 1997 über 200 Zuhörer ins Buchhaus. Am Tag der Premiere saß Neukirchner wieder oben in seinem Büro und traute sich nicht hinunter zu den Leuten. "Geh runter. Die sind wegen dir da. Lies denen deine Texte vor", hat Fritz Waniek zu ihm gesagt.

Es blieb nicht die einzige Begegnung vor Publikum im Buchhaus. Fritz Waniek lud den Suhler Kulturmanager und Autor immer wieder zu Lesungen ein - manchmal alleine, manchmal zusammen mit Landolf Scherzer. Als 1999 die Idee geboren wurde, ein Provinzschrei-Festival ins Leben zu rufen, gingen Claudia und Hendrik Neukirchner als erstes zu Fritz Waniek ins Buchhaus. "Wir stellten ihm das Konzept vor und baten ihn um seine Meinung." Andere, erzählt Neukirchner, hätten davon abgeraten, ein Kunst- und Literaturfest in Suhl zu organisieren. "Fritz Waniek aber machte uns Mut." Und er sollte recht behalten.

Am 6. November ist Fritz Waniek kurz nach seinem 80. Geburtstag gestorben. Mit ihm verliert der regionale Buchhandel, der Südthüringer Literaturbetrieb und auch die Stadt Suhl eine wichtige und prägende Persönlichkeit der letzten Jahrzehnte. Peter Lauterbach