Feuilleton Alltag mit Plaste und Poliklinik - Buch über Sprache der DDR

Von Gregor Tholl
Das Cover des Buches "Mit der Schwalbe zur Datsche" von Antje Baumann. Foto: Bibliographisches Institut/dpa

Viele Begriffe aus der DDR gingen mit der Wiedervereinigung verloren, einige überlebten regional. Ein neues Buch aus dem Dudenverlag erklärt nun 50 dieser Wörter. Passend zum 30. Jahrestag der Einheit.

 
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Ein recht zuverlässiger Ost-West-Sprachtest ist die Frage: Wie macht die Ente? Westdeutsche meinen meist «Quak, quak», Ostdeutsche dagegen «Nak nak nak», denn «Quak» mache doch der Frosch. «Nak nak» geht wohl auf Schnatterinchen aus dem DDR-Kinderfernsehen zurück.

Eltern geben die lautmalerische Lehre bis heute an Kinder weiter. In einem neuen Buch des Dudenverlags über die Sprache in der DDR - passend zum 30. Jahrestag der Einheit - geht es aber weniger um tierische Kindersprache.

Die Autorin Antje Baumann erklärt in ihrem Werk «Mit der Schwalbe zur Datsche - So sprach der Osten» 50 Begriffe aus der Deutschen Demokratischen Republik. Die Liste reicht vom Wort «Antifaschistischer Schutzwall», das die tödliche Mauer kaschieren sollte, bis hin zum gesamtdeutschen Phänomen «Westpaket».

Die «Datsche» aus dem Titel ist eines von etlichen Wörtern, die aus dem Russischen («datscha» für kleines Sommerhaus) in den DDR-Sprachgebrauch gelangten. Die «Schwalbe» ist nicht irgendein Moped, sondern ein viel verkauftes Zweirad aus dem Suhler Volkseigenen Betrieb (VEB) Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Simson.

Als sogenanntes Schibboleth (sprachliches Erkennungszeichen) funktioniert auch der «Kindertag»: «Wenn Sie meinen, der Kindertag sei irgendwann im September, haben Sie nicht in der DDR gelebt. Dort wurde der Kindertag, anders als in Westdeutschland, immer groß gefeiert, und darum wusste jedes Kind: Am 1. Juni gibt's keinen Schulunterricht, dafür Lieder, kleine Geschenke und Kinderfeste.»

Baumann erklärt auch, was «Bausoldaten» waren: Von 1964 bis 1989 verweigerten demnach etwa 15 000 junge Männer aus ethischen Gründen den Dienst an der Waffe, Wehrdienstverweigerern drohte aber Haft. Als Ersatz mussten die Männer militärische Anlagen bauen - getrennt von den anderen Soldaten. Die SED sah diese Leute als «feindlich-negative Kräfte» und schränkte ihre Berufs- und Studienchancen ein. Zu erkennen waren sie am Spaten auf der Schulterklappe.

Die «Eingabe» war in der DDR ein Beschwerdemittel: Die Verfassung von 1961 gestand jedem das Recht zu, sich mit Eingaben - das heißt mit Hinweisen, Beschwerden, Vorschlägen - an staatliche Organe zu wenden.

Die «Freikörperkultur» war in der DDR ein Stück Freiheit: «Nicht jeder DDR-Bürger ging nackt baden, wie es das Klischee verlangt. Aber tatsächlich breitete sich das Nacktbaden in der DDR trotz anfänglichen Widerstands der DDR-Regierung stark aus, während man andernorts - etwa in der Sowjetunion - dafür verhaftet werden konnte.» Aber natürlich ist FKK älter als die DDR, stammt aus der Lebensreformbewegung im 19. Jahrhundert.

Klassiker des DDR-Wortschatzes sind «Intershop» und «Kaufhalle», also zum einen Läden, in denen es Westwaren gegen Devisen gab, und zum anderen die Entsprechung des Supermarkts - «allerdings nur in räumlicher Hinsicht, denn das Warenangebot unterschied sich doch sehr und wurde fast werbefrei und zu stabilen Preisen dargeboten».

Nicht zu vergessen beim DDR-Sprech sind natürlich die «Jugendweihe» und die «Poliklinik» - also zum einen die feierliche Veranstaltung in der 8. Klasse, mit der Jugendliche in den «Kreis der Erwachsenen» aufgenommen wurden, als Gegenentwurf zu kirchlichen Weihen; und zum anderen die Praxis, in der Allgemein- und Fachärzte unter einem Dach praktizierten und sich dabei etwa teure medizinische Geräte teilten.

Längst haben Ostdeutsche gelernt, Plastik statt «Plast» oder «Plaste» zu sagen. Die soziolinguistische Erklärung dafür sei, dass stets die kleinere oder unterprivilegierte Gruppe beide Sprachvarianten lerne. Aus Plaste wurde in der DDR vieles hergestellt - sogar ein Auto.

Der «polytechnische Unterricht» der DDR ging auf das sowjetisch geprägte «Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens» von 1959 zurück, das die Bildung vom Kindergarten bis zum Beruf regelte. Es legte als Schulform für alle Kinder der DDR die zehnklassige polytechnische Oberschule (POS) fest. Ziel war die «allseitig gebildete sozialistische Schülerpersönlichkeit».

Und dann war da noch das «Westpaket»: Bis zu 25 Millionen wurden jährlich verschickt. Damit seien diese Pakete, meist mit Kaffee, Schokolade, Feinstrumpfhosen und Kosmetika, ein von der DDR fest einkalkulierter Wirtschaftsfaktor gewesen. «Bücher und Zeitschriften in den Paketen waren ebenso wie Bild- und Tonträger streng verboten.» Genaue Kontrollen ließen die Pakete bis zu sechs Wochen unterwegs sein. dpa

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