Zum 70. Jubiläum rückt die Berlinale ihre Heimat in den Fokus: Gleich drei Filme im gestern präsentierten Wettbewerb spielen in der Stadt Berlin und gleichzeitig spielt die Stadt eine Hauptrolle in den jeweiligen Filmen. Ganz besonders gilt das für die heiß erwartete Neuadaption von "Berlin Alexanderplatz" des deutsch-afghanischen Regisseurs Burhan Qurbani, in der u.a. Jella Haase, Albrecht Schuch und Joachim Król zu sehen sein werden. 40 Jahre nach der legendären Fernsehserie von Rainer Werner Fassbinder ist der Verfilmung des Romans von Alfred Döblin aus dem Jahr 1929 im Rennen und den Goldenen und die Silbernen Bären maximale Aufmerksamkeit gewiss.

Ein alter Bekannter im Berlinale-Wettbewerb ist Christian Petzold, der mit "Undine" bereits zum fünften Mal in der wichtigsten Sektion der Filmfestspiele vertreten ist. In seiner Annäherung an den weiblichen Wassergeist aus der altdeutschen Mythologie, die in den Wasserwelten in und um Berlin angesiedelt ist, spielen Paula Beer und Franz Rogowski. Im Milieu der Berliner Schaubühne verortet ist "Schwesterlein" der Schweizer Regisseurinnen Stéphanie Chuat und Véronique Reymond. Nina Hoss und Lars Eidinger, zwei der Stars der renommierten Berliner Bühne, spiegeln neben anderen Ensemblemitgliedern das Leben am und mit dem Theater.

Nachdem im letzten Jahr die knapp zwanzigjährige Amtszeit von Festivalleiter Dieter Kosslick zu Ende gegangen war, stellte erstmals das neue Leitungsduo die für den Wettbewerb ausgewählten Filme vor. Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian veröffentlichten insgesamt 18 Filme in der Konkurrenz. Anders als Kosslick verzichten sie auf ein Motto für das Programm, ausschlaggebend für ihre Auswahl sei allein die künstlerische Qualität der Werke gewesen. "Wenn die eher dunklen Farben überwiegen, mag das daran liegen, dass die von uns ausgewählten Filme eher illusionslos auf die Gegenwart blicken - nicht, weil sie Schrecken verbreiten, sondern weil sie uns die Augen öffnen wollen", sagt Chatrian.

Er und sein Auswahlkomitee haben neben alten Freunden der Berlinale wie Sally Porter aus Großbritannien mit "The Roads not taken" oder Abel Ferrara aus den USA mit "Siberia" etliche dem breiten Publikum noch unbekannte Regisseure und Regisseurinnen in den Wettbewerb eingeladen. Zu europäischen Produktionen kommen Filme aus Brasilien und Argentinien sowie Korea und Taiwan. Mit großer Spannung erwartet wird die internationale Koproduktion "DAU. Natasha" des russischen Regie-Duos Ilya Khrzhanovskiy und Jekaterina Oertel, das als Langzeitprojekt in einer gigantischen Kulisse vom Leben in einem russischen Physikinstitut während der Stalin-Zeit berichtet. Im Herbst 2018 sollte eine Variante des monumentalen Kunstprojekts zu den Themen Freiheit, Überwachung und Totalitarismus in der Berliner Innenstadt realisiert werden, wurde dann aber wegen zu kurzer Vorlaufzeiten von den Behörden nicht genehmigt.

Ein Novum im Berlinale-Programm ist die Sektion "Encounters", deren Ziel es ist, "neue Stimmen des Kinos zu unterstützen und den verschiedenen narrativen und dokumentarischen Formen mehr Raum im offiziellen Programm zu geben", so die Ankündigung der Festivalmacher. Neben dem Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären wird damit ein zweiter Wettbewerb geschaffen, in dem am Ende Preise für den Besten Film, die Beste Regie und den Spezialpreis der Jury vergeben werden. Fünfzehn Arbeiten wurden für die "Begegnungen" ausgewählt, meist von Regisseurinnen und Regisseuren, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen.

Insgesamt hat sich die neue Festivalleitung bemüht, das Programm zu straffen. So werden in diesem Jahr rund 340 Filme zu sehen sein, in den vergangenen Jahren waren es immer um 400 Filme gewesen. Werke "außer Konkurrenz" wird es nicht mehr geben, stattdessen "Berlinale-Galas". Eine solche ist auch der Eröffnungsfilm "My Salinger Year" von Philippe Falardeau, in dem die ambitionierte junge Schriftstellerin Joana (Margaret Qualley) porträtiert wird, die als Assistentin der Literaturagentin Margaret (Sigourney Weaver) arbeitet.

Ein großes Thema bei der Berlinale ist alljährlich der erwartete Starauftrieb am Roten Teppich. In dieser Hinsicht betonte Chatrian, zu allen Wettbewerbsfilmen würden Regisseure und Hauptdarsteller erwartet. Fans und Autogrammjäger dürfen sich also u.a. auf Javier Bardem und Salma Hayek freuen, außerdem auf Jury-Präsident Jeremy Irons oder auf Helen Mirren, die mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet wird.

Die 70. Berlinale beginnt am 20. Februar und läuft bis zum 1. März.