Festival „Güldener Herbst“ Musik statt Juwelen

Antje Rößler
Wolfgang Katschner und die Berliner „lautten compagney“ sind Gäste des Festivals „Güldener Herbst“ in Meiningen. Foto: /Guido Werner

Meiningen wird für die Dauer eines Wochenendes zu einem Mekka Alter Musik: Am 30. September kommt das renommierte Thüringer Festival „Güldener Herbst“ in die Stadt.

 
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Der „Güldene Herbst“ hat ein neues Konzept: Seit 2020 findet das Thüringer Festival zeitlich gestrafft und an einem einzigen Ort statt. Das Format, das sich schon in Gotha bewährt hat, wird von Festivalleiter Gerd Amelung als „voller Erfolg“ bezeichnet. „Unsere Annahme, dass das Festival mit der Konzentration auf einen Ort stärker wahrgenommen wird, hat sich erfüllt“, meint er. In diesem Jahr können die Macher dank einer Extra-Finanzspritze aus dem Topf des Thüringer Wirtschaftsministeriums sogar noch besser überregional Werbung machen.

Meiningen ist vom 30. September bis 3. Oktober Gastgeber, wobei der Festival-Prolog, wie jedes Jahr, in Weimar über die Bühne geht. Hier hat auch der Verein Academia Musicalis Thuringiae seinen Sitz, der das Festival ausrichtet.

Das Prologkonzert, das am 30. September in der Weimarer Herderkirche läuft, widmet sich Johannes Brahms und Max Reger. „Beide Komponisten waren in Meiningen aktiv“, erzählt Gerd Amelung. „Sie beschäftigten sich intensiv mit Musik aus der Epoche Bachs und wurden so zu Wegbereitern für die historische Aufführungspraxis.“ Der Weimarer Kantor Johannes Kleinjung leitet die Aufführung mit dem Ensemble Hofmusik und dem Johann-Sebastian-Bach-Ensemble. Das Programm kombiniert Motetten der drei Meister Bach, Brahms und Reger.

Mit dem Motto „Musik.Ambition“ lenkt das Festival die Aufmerksamkeit auf die Bemühungen der Meininger Herzöge, sich in der kulturellen Konkurrenz mit anderen Höfen zu behaupten. „Thüringen war in winzige Herzogtümer zersplittert, da hier die Erbteilung üblich war“, holt der Festivalleiter Gerd Amelung aus. „Die Kleinstaaten kompensierten ihre mangelnde Bedeutung durch einen hohen Stellenwert von Bildung und Kultur, wozu auch der Unterhalt von Hofkapellen gehörte. Das brachte Prestige, war aber nicht so teuer wie Schlösser zu errichten, Schmuck zu erwerben oder große Armeen aufzubauen. Die Thüringer Herzöge finanzierten lieber zehn Musiker als hundert Soldaten.“

So sammelte Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen nicht etwa Juwelen, sondern Musikalien. Er hatte als achter Sohn Bernhard I. von Sachsen-Meiningen kaum Aussicht auf die Thronfolge, daher verdingte er sich beim Heer und heiratete heimlich eine Hauptmannstochter. Um beim Kaiser die rechtmäßige Anerkennung der Ehe zu erreichen, reiste er 1724 nach Wien.

Während seines Wien-Aufenthalts nutzte der Fürstensohn jede Gelegenheit, Musik zu hören. Wenn ihm Stücke gefielen, ließ er die Noten für teures Geld kopieren, in Leder einbinden, mit Goldschnitt verzieren. Im Laufe mehrerer Wien-Reisen schuf Anton Ulrich eine bedeutende Sammlung von fast dreihundert Kompositionen. Etliche sind als Unikate ausschließlich in seinem Archiv überliefert, das heute zur Musikgeschichtlichen Sammlung der Elisabethenburg gehört.

„Die Anton-Ulrich-Sammlung stellt eine wichtige und reichhaltige Fundgrube für barocke Vokalmusik dar“, erläutert Gerd Amelung. „Bislang ist sie als Geheimtipp vor allem der Fachwelt bekannt. Aber auch die Öffentlichkeit hat es verdient, mehr darüber zu erfahren.“ Dazu will das Festival beitragen: Beim Eröffnungskonzert am 1. Oktober in der Meininger Schlosskirche präsentiert das renommierte, seit drei Jahrzehnten erfolgreiche Barock-Ensemble La Venexiana aus Italien einige der von Anton Ulrich geschätzten Kantaten.

Thüringens vielfältige Musikgeschichte reicht aber viel weiter zurück. Bereits um 1600, an der Schwelle zwischen Renaissance und Barock, wirkte der Komponist Michael Praetorius, der aus Creuzburg bei Eisenach stammt. 2021 ist ein Praetorius-Jahr: Gefeiert wird der 450. Geburtstag und zugleich 400. Todestag des berühmten Komponisten. Und so widmen sich am 2. Oktober der Kammerchor der Meininger Kantorei und die Capella Jenensis unter Sebastian Fuhrmann dem Doppel-Jubilar. In der Stadtkirche führen sie eine Michaelisvesper mit Musik von Praetorius und seinen Thüringer Zeitgenossen auf. Deren Werke wurden zum Beispiel in der Sammlung der Fürstenschule Schulpforta bei Naumburg überliefert.

Bei einer Matinee am 3. Oktober im Meininger Theater steht Johannes Brahms‘ Beschäftigung mit barocker Musik im Vordergrund. „Brahms nahm regen Anteil am Entstehen von Bachs und Händels Gesamtausgaben“, sagt Amelung.

Zwei international bekannte Sängerinnen geben die kurzweiligen Kammerduette zum Besten, die eigentlich regelrechte Mini-Dramen darstellen: die Sopranistin Dorothee Mields und die Mezzosopranistin Claire Lefilliâtre. Dazu erklingt ein Original-Flügel aus der Brahms-Zeit.

Zum Abschlusskonzert am 3. Oktober in der Stadtkirche reist schließlich die lautten compagney an. Das Ensemble aus Berlin hat das Publikum beim „Güldenen Herbst“ schon mehrfach begeistert. Diesmal lässt es mit seinen Zinken, Gamben und Lauten das Zeitalter von Michael Praetorius aufleben. Gewürdigt wird aber auch Johann Ludwig Bach, der „Meininger Bach“, der die Hofkapelle zu einer ersten Blüte brachte.

Restkarten gibt es in den Geschäftsstellen unserer Zeitung oder unter Tel. 03681/702413. Weitere Informationen zum Festival unter: www.gueldener-herbst.de

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