Experte Bundestrend nicht allein schuld am Absturz Thüringer CDU

CDU-Logo - Symbolfoto Foto: dpa

Für Thüringens CDU war die Bundestagswahl ein Fiasko, die AfD zog weit an ihr vorbei, und die SPD feierte ein Comeback. Was sind die Gründe dafür? Hat das Ergebnis Auswirkungen auf die Landespolitik?

 
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Erfurt - Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz sieht einen Grund für den Absturz der CDU bei der Bundestagswahl in Thüringen in einer innerparteilichen Zerrissenheit. Zum mit 16,9 Prozent bisher schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl habe nicht nur der Bundestrend beigetragen mit einem Programm und einem Kandidaten, die nicht überzeugt hätten, sagte Brodocz am Montag in Erfurt. «Die Thüringer CDU hatte auch keinen guten Sommer.»

Bei der gescheiterten Auflösung des Landtags habe sich die Zerrissenheit der Partei gezeigt. Das gelte auch für die Aufstellung des ehemaligen Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen als Direktkandidat, die nur Teile der Thüringer CDU befürwortet hatten. «Unionswähler wollen Geschlossenheit.» Das Experiment, dass Maaßen der AfD Stimmen abjage, habe zudem nicht funktioniert. Maaßen, der in der CDU als Rechtsausleger gilt, verlor den Wahlkreis gegen den SPD-Kandidaten, Biathlon-Oympiasieger Frank Ullrich.

Trotz des Einbruchs - 2017 hatte die CDU noch 28,8 Prozent der Stimmen erhalten und alle acht Direktmandate gewonnen - rechnet der Wissenschaftler nicht mit politischen Konsequenzen in der Führung der Landespartei. Parteichef Christian Hirte und Fraktionschef Mario Voigt könnten darauf verweisen, dass sie die CDU 2020 «im Tal» übernommen hätten und durch das Tal noch nicht hindurch gekommen seien.

Zudem habe der ehemalige Partei- und Fraktionsvorsitzende Mike Mohring seinen Wahlkreis nicht gewonnen und den Einzug in den Bundestag verpasst. Das schwäche Mohrings Position in der Partei. «Das Ende der politischen Karriere kommt näher», so Brodocz.

Das erstmalige Abschneiden der AfD als stärkste Partei bei einer Bundestagswahl in Thüringen wertete er zurückhaltend. Letztlich habe sich die AfD im Vergleich zu 2017 nur um gut einen Prozentpunkt auf 24,0 Prozent verbessert - «und das nur, weil die CDU so eingebrochen ist. Das Licht, das jetzt auf die AfD fällt, liegt daran, dass die CDU aus dem Licht herausgetreten ist.»

Die AfD habe bei enttäuschten CDU-Wählern abgeschöpft, was abzuschöpfen gewesen sei, so der Wissenschaftler. Nach wie vor sei sie aber in städtisch geprägten Wahlbezirken nicht stark, sondern eher in ländlichen Regionen. Ein Grund für die überdurchschnittliche Stärke der AfD im Vergleich zu westdeutschen Bundesländern liege darin, dass Thüringen sehr ländlich geprägt sei und keine Ballungszentren habe.

Den Erfolg der SPD, die mit 23,4 Prozent knapp hinter der AfD zweitstärkste Partei wurde und drei Direktmandate holte, führte Brodocz auf Geschlossenheit zurück. «Die SPD ist in den letzten sechs Monaten geschlossen aufgetreten wie seit 20 Jahren nicht mehr.» Er könnte sich vorstellen, dass die SPD sich jetzt ärgere, dass Landtag und Bundestag nicht zeitgleich gewählt wurden.

Bei der Linken, die auch in ihrer Bastion Thüringen einbrach, sieht der Wissenschaftler einen «Ramelow-Effekt» bestätigt. Anders als mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sei der Unterschied von bis zu 20 Punkten zwischen Bundestagswahlergebnis von 11,4 Prozent und Wahlumfragen für die Landtagswahl nicht zu erklären. «Es hängt für die Linke viel von seiner Person ab.»

Innerhalb der rot-rot-grünen Minderheitsregierung könnte sich die SPD jetzt gestärkt sehen, so Brodocz. Die Grünen hätten erleben müssen: «Die Bäume wachsen nicht in den Himmel - auch bei einem starken Bundestrend.» Die Regierungspartei verbesserte sich bei der Bundestagswahl von 4,1 auf jetzt 6,6 Prozent. Wie sich all das auf die Landespolitik auswirke, sei offen. «Wir müssen den Herbst und den Haushalt abwarten», sagte Brodocz. Komme kein Haushalt 2022 zustande, käme das Thema Landtagsneuwahl wieder auf den Tisch.

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