In die gleiche Richtung gingen Bemerkungen von Finnlands Notenbankchef Olli Rehn, der ebenfalls für einen vorsichtigen Kurs und eine kleine erste Zinsanhebung im Juli plädierte. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos gab sich unterdessen neutral. Er unterstrich den grundsätzlichen Ansatz der EZB, die Geldpolitik an der konjunkturellen Entwicklung auszurichten. "Lassen Sie uns abwarten, was passiert", sagte der Spanier dem Nachrichtensender Bloomberg TV.
Nicht mit USA vergleichbar
Die EZB geht im internationalen Vergleich eher langsam gegen die seit Monaten hohe Inflation vor. Im Euroraum war die Teuerung zuletzt auf einen Rekordwert von 7,4 Prozent gestiegen. Ein wichtiger Grund sind wirtschaftliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Welthandel, die durch den Ukraine-Krieg verstärkt werden. Während andere Notenbanken wie die US-Zentralbank Federal Reserve ihre Leitzinsen schon mehrfach und teils deutlich angehoben haben, zögert die EZB noch mit einer Zinsstraffung. Ihre konjunkturstützenden Wertpapierkäufe hat sie aber bereits zurückgefahren.
Die EZB begründet ihren vorsichtigen Ansatz häufig damit, dass die Situation im Euroraum nicht mit der Lage insbesondere in den USA gleichzusetzen sei. So sei Europa stärker von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs betroffen. Auch seien die Lohnanstiege und die von ihm ausgehenden Inflationsgefahren in den USA wesentlich ausgeprägter als in der Eurozone. Kritiker monieren dennoch, die EZB hinke anderen Zentralbanken wie der Federal Reserve oder der Bank of England in der Inflationsbekämpfung hinterher.