Vor dem nächtlichen Einmarsch hatte sich die reguläre libanesische Armee bereits von Stützpunkten entlang der Demarkationslinie zurückgezogen. Die Streitkräfte verhalten sich im Konflikt zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel bisher neutral.
Nach Aussagen der Hisbollah kam es nach dem Eindringen israelischer Soldaten bis nachmittags zunächst nicht zu Bodengefechten im Grenzgebiet. "Alle unsere Kämpfer sind bereit für eine echte Konfrontation", erklärte jedoch eine Sprecherin.
UN warnt vor humanitärer Katastrophe
Die UN-Beobachtermission im Libanon wurde nach eigenen Angaben von Israel über die Absicht eines "begrenzten Bodeneinsatzes im Libanon" in Kenntnis gesetzt. Jede Überschreitung in den Libanon sei ein Verstoß "gegen die Souveränität und territoriale Integrität des Libanons", kritisierte Unifil. "Wir fordern alle Akteure dringend auf, von solchen eskalierenden Schritten Abstand zu nehmen."
Das UN-Menschenrechtsbüro warnte vor einer humanitären Katastrophe. "Wir sind zutiefst besorgt über die sich ausweitenden Feindseligkeiten im Nahen Osten und deren Potenzial, die gesamte Region in eine humanitäre und menschenrechtliche Katastrophe zu stürzen", sagte Liz Throssell, Sprecherin des Büros in Genf. Die Gefahr, dass andere Länder in der Region in die militärische Auseinandersetzung gezogen werden, sei sehr real. Die Bodenoffensive dürfte das Leiden der Zivilbevölkerung weiter verschlimmern. Auch die Angriffe der Huthi auf Israel und die israelischen Gegenschläge seien "zutiefst beunruhigend".
Invasion weckt Erinnerungen an frühere Kriege
Die militärische Eskalation weckt Erinnerungen an den jüngsten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Jahr 2006. Seitdem ist jedoch vieles anders: Während die Hisbollah damals als dominierende militante Kraft im Libanon agierte, hat sich die geopolitische Lage in der Region verändert. Der syrische Bürgerkrieg, die wachsende Unterstützung des Iran und die zunehmende Militarisierung im Nahen Osten haben die Spannungen weiter angeheizt. Israel hat seither seine Geheimdienstinformationen über die Miliz erheblich ausgebaut, während die Hisbollah ihre Raketenarsenale weiter aufgerüstet hat.
Parallelen gibt es auch zum ersten Libanonkrieg im Jahr 1982, als Israel Kämpfer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) nördlich des Flusses Litani verdrängen wollte. Israel gab dem umstrittenen Militäreinsatz den blumigen Namen "Operation Frieden für Galiläa". Die Verluste auf der israelischen Seite bei den Kämpfen im Libanon waren groß. Nach Angaben des israelischen Außenministeriums wurden vom 5. Juni 1982 an binnen drei Jahren 1216 israelische Soldaten getötet. Auf der palästinensischen und libanesischen Seite kamen Historikern zufolge mindestens 14.000 Menschen ums Leben.
UN-Nothilfebüro ruft zu Spenden auf
Das UN-Nothilfebüro OCHA veröffentlichte einen Spendenaufruf im Umfang von 426 Millionen Dollar (383 Mio Euro). Das Geld werde dringend für die Versorgung der Vertriebenen und obdachlosen Zivilisten in dem Mittelmeerland benötigt. Mit dem Geld solle eine Million Menschen für drei Monate unterstützt werden. Seit Oktober 2023 seien schätzungsweise eine Million Menschen durch die Auseinandersetzungen vertrieben oder anderweitig in Mitleidenschaft gezogen worden, berichtete das UN-Büro.
USA warnen Iran vor Vergeltungsangriff
Der Iran gilt als Schutzmacht der Hisbollah, die Schiitenmiliz zählt zu seinen wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten. In den vergangenen Jahrzehnten hatte Irans Staatsführung die Organisation politisch und militärisch mit aufgebaut. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin warnte Teheran nun vor Vergeltungsangriffen auf Israel. "Ich habe erneut auf die schwerwiegenden Konsequenzen für den Iran hingewiesen, falls dieser sich zu einem direkten militärischen Angriff auf Israel entschließen sollte", schrieb er nach einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Galan auf der Plattform X. Er habe deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten das Recht Israels auf Selbstverteidigung unterstützen.
Die Türkei unterstellte Israel, mit der Bodenoffensive auf eine Besetzung des Libanons abzuzielen. "Der UN-Sicherheitsrat muss das Völkerrecht wahren und die notwendigen Maßnahmen gegen diesen Angriff ergreifen, der auf die Besetzung Libanons abzielt", teilte das Außenministerium in Ankara mit.