Arbeiten ohne vorherige Anerkennungsverfahren
Deutschland hat seit 2020 ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, um den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte zu fördern. Im November 2023 trat der erste Teil einer von der Ampel-Koalition beschlossenen Reform dieses Gesetzes in Kraft. Er umfasste vor allem Erleichterungen bei der "Blauen Karte EU" sowie für anerkannte Fachkräfte.
Seit März können Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfahrung ohne vorheriges Anerkennungsverfahren einreisen und in Deutschland arbeiten. Sie müssen also noch keine in Deutschland anerkannte Ausbildung vorweisen, aber ein Arbeitsplatzangebot mit einem Bruttojahresgehalt von mindestens 40 770 Euro - bei Tarifbindung des Arbeitgebers genügt eine Entlohnung gemäß Tarifvertrag.
Wirtschaft für eine andere "Willkommenskultur"
Die Wirtschaft begrüßt das neue Gesetz grundsätzlich. "Es ist aber zu kompliziert. In der praktischen Anwendung hinken wir hinterher", meint DIHK-Präsident Adrian. Er spricht sich für eine andere "Willkommenskultur" aus. "Die Botschaft muss lauten: Wir freuen uns, euch hier in Deutschland begrüßen zu können." Das fange bei der Visa-Erteilung an und höre bei der Bereitstellung von Wohnung und Kinderbetreuung auf. "Wir haben hier in vielen Bereichen Defizite."
Eine Ende Mai von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) vorgelegte Konjunkturumfrage ergab, dass über die Hälfte der Unternehmen den Fachkräftemangel aktuell als Geschäftsrisiko angeben - häufig genannte Risiken waren daneben hohe Energie- und Rohstoffpreise und die schwache Inlandsnachfrage.
Industrie: "We want you"
Auch Industriepräsident Siegfried Russwurm sieht Nachbesserungsbedarf bei der Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. "Die Aufgaben fangen bei den Botschaften und Konsulaten an. Jeder kennt das amerikanische Plakat "We want you!" So müssen wir auch denken und handeln. Diese Willkommenskultur muss sich bis zur kommunalen Ausländerbehörde in der Stadt oder im Landratsamt durchziehen."
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gibt Bürgerinnen und Bürgern aus EU-Staaten das Recht, ihren Arbeitsplatz innerhalb der Europäischen Union frei zu wählen. Wie viele Menschen aus Staaten, die nicht zur EU gehören, zum Arbeiten nach Deutschland kommen, hängt auch davon ab, wie aufwendig die Beantragung eines Visums für sie ist und wie lange Antragsteller bei einer deutschen Auslandsvertretung auf einen Termin warten müssen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu, Visa für Fachkräfte würden vorrangig bearbeitet. Bis zum 1. Januar 2025 solle das nationale Visumverfahren umfassend digitalisiert sein.