Was sind Warnzeichen für eine Orthorexie?
- Exzessive Beschäftigung mit Lebensmittelauswahl
- Stark eingeschränkte Ernährung, etwa durch den Ausschluss ganzer Lebensmittelgruppen
- Soziale Isolation aufgrund der Essgewohnheiten, weil auf Essen in gesellschaftlichen Kontexten wie Familienfeiern verzichtet wird
- Schuldgefühle oder Angst nach dem Verzehr "unerlaubter" Lebensmittel
- Zeitaufwändige Planung und Vorbereitung von Mahlzeiten
"Ein weiteres wichtiges Warnzeichen ist, wenn die Ernährung das Leben dominiert, und andere Bereiche wie Freundschaften oder Hobbys vernachlässigt werden", betont Barthels.
Gibt es Risikofaktoren oder bestimmte Persönlichkeitstypen?
Orthorexie tritt laut Barthels eher bei perfektionistischen Menschen und solchen mit einem hohen Bedürfnis nach Kontrolle auf. Auch Zwangsstörungen oder Ängstlichkeit, zum Beispiel Angst vor Krankheiten, könnten das Risiko erhöhen. "Viele Betroffene berichten, dass sie sich durch ihre Ernährung besonders diszipliniert und moralisch überlegen fühlen", erklärt Barthels. Ebenso könnten eine frühere Essstörung oder ein hoher Stellenwert des Themas Ernährung in der Familie Risikofaktoren sein. Insgesamt entwickle sich eine Orthorexie oft schleichend, Betroffene würden mit der Zeit oft immer strenger mit sich werden.
Welche psychologischen Mechanismen stehen dahinter?
Orthorexie kann als Bewältigungsstrategie für Stress oder Unsicherheit dienen. "Das strikte Befolgen von Ernährungsregeln vermittelt ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit", sagt Barthels. Ein weiterer Faktor könne Angst vor Krankheiten sein. Oft hätten Betroffene auch eine sehr perfektionistische Vorstellung davon, was Gesundheit bedeutet: "Ich muss mich jeden Tag hundert Prozent perfekt fühlen, was natürlich unrealistisch ist."
Und schließlich werde die Bedeutung von Ernährung oft überschätzt, so die Expertin weiter: "Natürlich ist es nicht gut, wenn ich mich jeden Tag nur von Schokolade ernähre, aber wenn ich jeden Tag einen Schokoriegel esse, wird das meine Gesundheit auch nicht massiv beeinträchtigen." Menschen mit orthorektischem Ernährungsverhalten neigten indes dazu, diesen einzelnen Ereignissen sehr große Bedeutung beizumessen.
Welche Rolle spielen soziale Medien?
Wissenschaftlich betrachtet wird die Bedeutung sozialer Medien ambivalent gesehen: So zeigen einige Arbeiten, dass Betroffene durch die Vernetzung mit anderen ein Problembewusstsein entwickeln und sich gegenseitig darin unterstützen, ihre Essstörung zu überwinden.
Daneben gibt es aber durchaus Studien, die den negativen Effekt unterstreichen, den das ständige Betrachten definierter und dünner Körper der Fitness-Influencer auf Instagram und anderen Plattformen hat. "Letztendlich werden diese aber niemanden orthorektisch machen", sagt Barthels. Vielmehr müsse dafür eine Prädisposition vorliegen, die dann vielleicht verstärkt werde.
Welche therapeutischen Ansätze sind wirksam?
Laut Psychologin Barthels kann eine an Essstörungstherapien angelehnte Behandlung hilfreich sein sowie je nach individuellem Fall auch eine Ernährungsberatung. Dabei sei aber wichtig, nicht gegen das Wertesystem der betroffenen Person zu arbeiten: "Einem Veganer im Zuge der Beratung Fleisch zu empfehlen, ist dann nicht hilfreich." Ebenso könnten Betroffene psychotherapeutische Entlastung brauchen, weil die Orthorexie etwa eine Reaktion auf Stressoren in ihrem Leben sei.
Letzten Endes gehe es darum, wieder einen entspannten Umgang mit der eigenen Ernährung zu finden und wieder Freude am Essen mit Freunden oder Hobbys zu finden, sagt Barthels: "Es ist ja nicht nur das Essen, was dann darüber entscheidet, wie gut es einem letztendlich geht und wie gesund man ist."