Erfurt - In einem Thüringer Gestüt wird trächtigen Stuten Blut zur Herstellung eines umstrittenen Hormonpräparats abgezapft. Das Thüringer Gesundheitsministerium und das betroffene Gestüt in Meura, erklärten, dass die Methode dort schon länger angewandt und den entsprechenden Behörden bekannt sei.
Zuvor hatte die «Animal Welfare Foundation» (AWF) über die Methode dort informiert und sie kritisiert. Der Tierschutzverein arbeitete auch mit dem Fernsehmagazin «Fakt» zusammen. Einen entsprechenden Beitrag sendete die ARD am Dienstag. Das Blut wird für die Herstellung des Hormons «Pregnant Mare Serum Gonadotropin» (PMSG) genutzt. Es wird in der Schweinezucht eingesetzt.
Im Betrieb werde aus dem Blut ein Serum als Rohstoff für die Wirkstoffherstellung gewonnen, erklärte die Gestütinhaberin Anke Sendig. Der Prozess sei nicht als Tierversuch einzustufen und daher weder anzeige- noch genehmigungspflichtig. «Wir machen ja nichts Verwerfliches, die Stuten werden ständig überwacht», sagte Sendig.
«Auf dem Rücken und mit dem Leid der Stuten wird ein lukratives, millionenfach in der Agrarindustrie eingesetztes Medikament produziert, dass in der industriellen Landwirtschaft für Profite sorgt», teilte York Ditfurth von AWF mit.
Der Verein kritisiert unter anderem, dass die Methode gegen Leitlinien des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit verstoße. Demnach dürfen Stuten etwa nicht trächtig sein, wenn sie Blut spenden sollen. Warum der Betrieb trotzdem Blut bei den schwangeren Tieren nehmen darf, gehört zu den Fragen, die das Ministerium prüft.
Nach Einschätzung Sendigs gelten diese Leitlinien zur Gewinnung, Lagerung, Transport und Verabreichung von Blut und Blutprodukten aber nicht für den Anwendungsbereich der Rohstoffgewinnung. «Alles was wir tun, erfolgt unter tierärztlicher Überwachung. Wir halten alle Vorschriften der Tierschutzgesetze ein», so Sendig.
Zudem werde längst nicht jede der 100 Zuchtstuten im Betrieb für Blutgewinnung eingesetzt. Es werde genau überprüft, welche Tiere sich dafür eigneten. «Vielen denken jetzt, dass wir uns nicht richtig um die Tiere kümmern, aber das ist einfach nicht wahr», sagte Sendig.
Im Fall Meura bestätigt das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt des Landratsamtes Saalfeld-Rudolstadt die Kenntnis von der Blutentnahme, um Serum zu gewinnen. Dieses Serum werde an eine Arzneimittelfirma abgegeben, die daraus PMSG-haltige Tierarzneimittel herstellt. Außerdem sei ihnen die Serumgewinnung im Haflingergestüt Meura seit vielen Jahren bekannt. Sie erfolge seit den 1980er Jahren jeweils im entsprechenden Zeitfenster. Diese erfolgt laut Ministerium so, dass bei den Tieren kein oder nur ein unerhebliches Unbehagen entstehen könne. Die Stuten trügen normal aus. «Der tiergerechte Umgang mit den Pferden ist selbstverständlich», so das Ministerium. Nach Darstellung des Gesundheitsministeriums liefert das Gestüt seit vielen Jahren ein aus dem Blut gewonnenes Serum als PMSG-Rohstoff an ein Pharmaunternehmen in Sachsen-Anhalt, das in diesem Jahr teils an eine französische Firma verkauft worden ist.
Im Fernsehbericht von „Fakt Ist!“ wurden Bilder vom Umgang mit Pferden in Südamerika gezeigt, was den Eindruck des Haflingergestüts in Meura nach Ansicht der Gestütsinhaberin Anke Sendig abfärbt. Es bestehe absolut kein Zusammenhang der Aufnahmen aus Südamerika mit denen in Meura. Insofern distanziert sich das Gestüt energisch.
Außerdem habe sie nicht einmal etwas vom Drehtermin gewusst und alle Fragen offen beantwortet. Erstaunen rief die Bewertung des Betriebs durch Ditfurth hervor, da sie sich im Vorfeld nicht von den gesetzlichen Gegebenheiten überzeugt hätten.
Im Haflingergestüt Meura züchtet man seit sechs Jahrzehnten erfolgreich Pferde und Rassen Haflinger sowie Edelbluthaflinger. Neben Zucht und Ausbildung, Stutenleistungsprüfung, Reit- und Fahrtourismus, Lehrgängen und Lehrausbildung gehört laut Sendig die Entnahme von Blut im Rahmen der Norm als Rohstoff für Gewinnung von PMSG zu den wirtschaftlichen Standbeinen des landwirtschaftlichen Betriebes.
In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Juni hieß es, dass das Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) schätzt, dass etwa 6,4 Millionen Einzeldosen PMSG à fünf Milliliter von Februar 2016 bis Januar 2019 bei Sauen eingesetzt worden sind. Im Zeitraum zwischen Februar 2013 und Januar 2016 lag die Zahl demnach noch bei vier Millionen Einzeldosen.
In der Antwort hieß es auch, dass nach Kenntnis des BVL das als Wirkstoff der in Deutschland zugelassenen Tierarzneimittel enthaltene PMSG in den Niederlanden, Island, Argentinien und Uruguay produziert werde.
In der Schweinezucht wird PMSG Sauen verabreicht, damit die Tiere möglichst gleichzeitig ihre Ferkel zur Welt bringen. Das vereinfacht Abläufe im Betrieb, da etwa die Tiere einer Altersgruppe gleichzeitig in andere Ställe gebracht werden können. Alternativen zu diesem PMSG-Einsatz gibt es - zumindest werden in einer Antwort der Bundesregierung auf eine ähnliche Anfrage der Grünen aus dem Jahr 2017 eine Reihe anderer Wirkstoffe aufgeführt. dpa/nk