Erfurt "Ohne Windkraft im Wald wird es nicht gehen"

Eike Kellermann

Auch wenn die Gegner Sturm laufen: An Windrädern im Wald führt nach Ansicht von Experten kein Weg vorbei. Selbst die privaten Waldbesitzer in Thüringen sind dafür.

 
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Erfurt - Die Planungsregion Südwestthüringen schlägt sich damit herum, Gebiete für Windparks festzulegen, auch in Waldgebieten. Nach dem ersten Entwurf hagelte es Einwände. Deshalb hat die Regionale Planungsgemeinschaft die Hochschule Nürtingen mit einer weiteren Untersuchung beauftragt. Ergebnisse sollen Anfang 2021 vorliegen, der zweite Entwurf des Regionalplans soll bis Mitte des Jahres folgen, sagte Peter Möhring, Leiter der Regionalen Planungsstelle, unserer Zeitung.

Zu den bisher geplanten neun sogenannten Windvorrang-Gebieten (drei alte, sechs neue) gehören zwei im Kleinen Thüringer Wald bei Schleusingen. Dagegen macht eine Bürgerinitiative mobil. Auch sie war am Dienstag bei der Anhörung des Umweltausschusses zur Windkraft dabei. Während auf Bürgerversammlungen bei diesem Streitthema meist Windstärke 10 herrscht, war die Anhörung im Landtag beispielhaft für einen zwar engagierten, aber sachlichen Austausch von Argumenten.

"Ich lehne Windräder im Wald vollkommen ab", sagte der frühere Rektor der Forstschule Schwarzburg, Martin Heinze, für den Landesverband "Energiewende mit Vernunft". Die Anlagen führten zu Kahlschlag, seien schädlich für die Erholungsfunktion des Waldes und gefährdeten den Artenschutz. So sei im Merseburger Wald ein Seeadler "gehäckselt worden vom Windrad". In den Dörfern würden wegen der Windräder Feindschaften entstehen. CDU-Umweltpolitikerin Christina Tasch sagte: "Die Windkraft spaltet in Stadt und Land."

Für die Bürgerinitiative "Gegenwind im Kleinen Thüringer Wald" sagte Hendrik Frühauf, Windkraftanlagen im Wald hätten erhebliche Folgen für die Forstwirtschaft. Stark bedroht sei durch sie der geschützte Rote Milan. Die AfD, bei der Frühauf Mitglied ist, will wie die CDU einen Baustopp für neue Windräder. Überdies sieht ein zu Jahresbeginn von FDP und CDU vorgelegter Gesetzentwurf vor, Windkraftanlagen im Wald zu verbieten. Allerdings ist die CDU inzwischen in der Pflicht, keine Mehrheiten ohne die rot-rot-grüne Minderheitskoalition zu bilden. Offen ist, was das für den Gesetzentwurf bedeutet.

Ein Verbot von Windkraftanlagen im Wald wurde von Thüringer Energie- und Green-Tech-Agentur (Thega) und Landesverband Windenergie abgelehnt. Laut Landeschef Frank Groß drehen sich in Thüringen inzwischen 866 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1,6 Gigawatt. Magere 32 Anlagen mit insgesamt 70 Megawatt kamen voriges und dieses Jahr dazu. Windkraft bedeute Wertschöpfung für Thüringen, schließlich komme derzeit die Hälfte der Energie von außerhalb, sagte Groß.

Regierungsberater Viktor Wesselak, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule Nordhausen, machte diese Rechnung auf: Damit Deutschland bis 2050 seine Klimaziele erreiche, werde eine Leistung von 170 Gigawatt aus Windkraft an Land benötigt. Damit entfielen auf Thüringen rund 7,6 Gigawatt. Benötigt würden dafür 1,5 bis 2 Prozent der Landesfläche, die zu einem Drittel von Wald bedeckt ist. "Ohne Windkraft im Wald wird es nicht gehen, wenn die Klimaziele geschafft werden sollen", sagte Wesselak. Er warb dafür, dass die betroffenen Dörfer von den Anlagen profitierten.

Natürlich habe Windkraft Umweltauswirkungen und beeinträchtige das Landschaftsbild, sagte der Professor. Aber das gelte auch für Kohle, Kernkraft oder Biogas. "Die Windkraft ist mit den geringsten Umweltauswirkungen behaftet und erzeugt den billigsten Strom", so Wesselak. Laut Landesverband Windenergie hat bisher keine Studie den Nachweis erbracht, dass der Ultraschall der Windräder gesundheitsschädlich sei. "Wir müssen es schaffen, von einer polarisierenden emotionalen Ebene auf eine Fachebene zu kommen", so Landeschef Groß.

Rückenwind für die Windkraft im Wald kam auch von eher unerwarteter Seite. Der Landesverband der 30 000 privaten Waldbesitzer ist angesichts des Preisverfalls beim Holz auch dafür. Klimawandel, Stürme, Trockenheit und Borkenkäfer schädigten den Wald mehr als ein paar Windkraftanlagen, sagte Geschäftsführer Wolfgang Heyn. Auch die Folgen für den Tourismus seien bis auf Ausnahmen, etwa die Wartburg, sehr gering. Zuletzt wandte sich Heyn direkt an die Landtagsabgeordneten. "Ich bitte Sie inständig: Lassen Sie zu, dass wir wenigstens einige Anlagen im Wald bauen können."

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