Erfurt/Berlin Atom-Endlager in der Region noch nicht ausgeschlossen

Atom-Endlager in der Region noch nicht ausgeschlossen Quelle: Unbekannt

Ein atomares Endlager möchte niemand vor der Haustür haben - deshalb sorgt der Zwischenbericht zur Standort-Suche für Aufregung. Auch Teile Südthüringens zählen zu den Gebieten, für die solch ein Lager nicht ausgeschlossen ist.

 
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Erfurt/Berlin - Weite Teile Thüringens bieten nach Erkenntnissen der Bundesgesellschaft für Endlagerung günstige geologische Voraussetzungen für ein Atommüll-Endlager. Dazu gehören Steinsalzlagerstätten in Nord-, Mittel- und Südwestthüringen, aber auch eine Gesteinsformation, die sich entlang des Thüringer Waldes etwa von Eisenach in Richtung Apolda erstreckt. Das geht aus dem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht der Bundesgesellschaft hervor.

Danach berühren vier der bundesweit etwa 90 Gebiete, die für ein Atom-Endlager infrage kommen, auch Thüringen. Dies sind insgesamt 9105 Quadratkilometer oder etwa 60 Prozent der Landesfläche. Alle 23 Kreise und kreisfreien Städte werden von dem Gebiet erfasst. Bundesweit sind etwa 54 Prozent der Landesfläche theoretisch geeignet. In Thüringen gelten vor allem Salzstöcke, in denen kein Bergbau stattfindet, und Granit-Vorkommen als geeignete Gebiete.

Zu den gekennzeichneten Gebieten sind die Forscher per Ausschlussverfahren gekommen: Regionen, die in nebenstehender Karte weiß sind, fallen wegen geologischer Probleme heraus - etwa, weil es im Untergrund kein geeignetes Gestein gibt - oder weil Beben oder Wassereinbrüche in den betreffenden Schichten drohen. Im weiteren Verfahren sollen die jetzt noch markierten Flächen weiter eingegrenzt werden.

Die damit bestehende theoretische Möglichkeit, dass ein Atomendlager auch in Thüringen entstehen könnte, rief auch im Freistaat den Protest auf den Plan. Mehrere Landtagsfraktionen signalisierten Widerstand.

Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) machte zunächst deutlich, dass Thüringen die Standort-Suche konstruktiv begleiten werde. "Unsere Aufgabe ist es, geologische und seismologische Daten zu liefern, weil die Suche auf wissenschaftlichen Kriterien basiert", sagte die Grünen-Politikerin am Montag in Erfurt. Dafür seien extra drei weitere Geologen bei der Landesanstalt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz eingestellt worden.

Siegesmund wollte mit Verweis auf das verabredete Verfahren keine Einschätzung abgeben, ob Thüringen für ein Atom-Endlager überhaupt infrage kommt. Sie verwies jedoch darauf, dass es eine Reihe von Ausschlusskriterien gibt, die auf Thüringen zutreffen könnten. Dazu gehörten der Einfluss von früherem Bergbau, seismische Aktivitäten sowie großräumige Vertikalverschiebungen. "Es ist ein sehr mühsames Verfahren, das jetzt begonnen hat, und ein langer Weg."

Nach ihren Angaben hat Thüringen eine Fachgruppe gebildet, die das Verfahren begleiten soll. Zu den sechs Fachleuten würden auch Vertreter der Städte, Gemeinden und Kreise hinzugezogen, kündigte sie an. Laut Landesgesellschaft sollen bei der weiteren Eingrenzung der Standorte auch Kriterien wie die Bevölkerungsdichte eine Rolle spielen.

Innenminister und neuer SPD-Chef Georg Maier sprach sich gegen einen Standort in Ostdeutschland aus. "Bei der Endlagersuche muss auch einbezogen werden, dass die Atomwirtschaft stark westdeutsch geprägt war und beispielsweise auch die Gewerbesteuern dort vereinnahmt wurden", erklärte er. "Jetzt den Atommüll weitgehend in Ostdeutschland endzulagern, wäre ungerecht."

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, erklärte: "Wir wollen hier in Thüringen keinen Atommüll. Der gefährliche Abfall soll da entsorgt werden, wo mit ihm Milliarden verdient wurden. Über 97 Prozent des deutschen Atomstroms wurden im Westen produziert. Es kann doch nicht sein, dass Thüringen zum Atom-Klo wird."

Das Atom-Endlager soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. 2031 soll der Standort gefunden sein, ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden.

Der umweltpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Gottweiss, äußerte sich zuversichtlich, dass Thüringen letztlich nicht infrage kommt. Bei weiteren Untersuchungen würden sich sowohl die Thüringer Salzlager als auch die kristallinen Gesteinsschichten als ungeeignet erweisen. "Hier gibt es für ein Atommüll-Endlager zu viele tiefreichende Störungszonen, durch die Zerfallsprodukte des strahlenden Abfalls wieder an die Oberfläche gelangen könnten", erklärte er. Auch seien die seismisch aktiven Regionen in Thüringen im Zwischenbericht nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Es müsse darum gehen, unbeeinflusst von politischen Vorfestlegungen den Standort zu finden, der die wissenschaftlich begründet bestmögliche Sicherheit bietet, erklärte die Grünen-Abgeordnete Laura Wahl. Ähnlich äußerte sich der Fraktionschef der FDP, Thomas Kemmerich.

Aus dem Rennen ist der Salzstock Gorleben in Niedersachsen. Unter anderem weise der Salzstock ein nicht intaktes Deckgebirge vor, auch die Gewässerchemie spreche gegen den Standort, hieß es von der BGE. Gorleben war bereits in der alten Bundesrepublik zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden. Die Entscheidung, im Salzstock Gorleben ein Endlager einzurichten, stammte bereits aus den 1970er Jahren. Dies hatte jahrzehntelange Proteste ausgelöst. Weil der Widerstand nicht enden wollte, war die Endlager-Suche komplett neu gestartet worden, das Gesetz dazu gibt es seit 2013. dpa/jwe

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