Erfurt Alles hat ein Ende

Nach monatelangem Gezanke hat der Thüringer Fußball endlich Klarheit: Die Saison 2019/2020 wird abgebrochen. 56 Prozent der Delegierten stimmen auf dem Außerordentlichen Verbandstag in Erfurt gegen eine Fortsetzung.

 
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Erfurt - Betrugsvorwürfe, persönliche Beleidigungen, Kommentare unter der Gürtellinie in den sozialen Medien und ein monatelanger Streit um den richtigen Weg in der Corona-Pandemie: Das Vorspiel zum Außerordentlichen Verbandstag des Thüringer Fußball-Verbandes (TFV) in Erfurt hatte nicht viel mit fairem Sport gemein. Der vergangene Samstag scheint unter all diese Querelen einen Schlussstrich gezogen zu haben. Emotionslos, sachlich und ohne böse Worte verlaufen die gut eineinhalb Stunden im Parksaal des Erfurter Steigerwaldstadions. Das Einzige, was noch zählte, waren die nackten Zahlen: 41, 54, 2.

Um 10.35 Uhr liegt der Ball zum wirklich allerletzten Elfmeter auf dem Punkt: Saisonfortsetzung oder Abbruch? Verlängern der alten Spielzeit bis ins Frühjahr 2021, um gegen alle Corona-Überraschungen gefeit zu sein - oder ein sauberer Schnitt im Sommer, sofort und ab September wieder mit möglichst vielen Spielen (und Einnahmen) neu starten?

98 Delegierte haben das Schicksal des Thüringer Fußballs am Samstag buchstäblich in der eigenen Hand: Die Wahl ist geheim, abgestimmt wird mittels eines kleinen Gerätes, das jeder auf seinem Platz liegen hat.

Dem finalen Akt im Corona-Chaos war ein scheinbar unendlicher Kleinkrieg um den richtigen Weg für den Thüringer Fußball vorausgegangen. Wie krass gespalten das Land in der Fußball-Frage ist, zeigt sich auch am Samstag. Da ist etwa der Süden des Freistaates, der keine Saison über zwei Jahre hinziehen möchte. Dittmar Börner, der Chef des KFA Südthüringen, meldet sich am Samstag noch einmal vor der Abstimmung zu Wort, lässt seinen Frust über das einseitige Webinar von Anfang Mai ab und warnt: "Wenn wir die Saison fortsetzen, kriegen wir größte Probleme finanztechnischer Art." 2021 könnten auf mindestens sechs Kreisfußballausschüsse (KFA) große Zahlungsschwierigkeiten zukommen. 90 000 Euro wären dann als Finanzspritze aus Erfurt nötig, so Börner.

Geld spielt keine Rolle

Doch ausgerechnet die Geldfrage solle jeder der 98 Delegierten bei seiner Entscheidung ausblenden, fordert TFV-Schatzmeister Harry Wießner. "Das Thema Finanzen hat am Ende mit Ihrer Entscheidung nichts zu tun." Das Geld in den Kassen der Fußballkreise sei "immer das Geld des TFV". "Es gibt kein Kreisgeld!" Und komme es lokal dennoch zu Problemen, versichert Wießner, dass der TFV bis in 2021 "komplett stabil aufgestellt" sei. Deshalb müsse die Entscheidung heute aus rein sportlicher Sicht getroffen werden.

Bertram Schreiber pflichtete dem Schatzmeister indirekt bei. Der Spielausschuss-Chef des KFA Westthüringen ist ein Befürworter der Fortsetzung. Bei Abbruch müsste jedes Wochenende gespielt werden. Alternative Spielmodi, wie die Teilung der Ligen in Staffeln plus Playoffs sieht Schreiber skeptisch. "Auch dann verringert sich die Anzahl der Heimspiele. Und die Vereine verlieren dringend notwendige Einnahmen."

Es sind die Argumente, die Sven Wenzel seit Monaten gegen die Lösung Saisonabbruch ins Feld führt. Auch der Spielausschuss-Leiter des TFV tritt vor der Stimmabgabe ans Mikrofon. "Natürlich muss ich mich als derjenige, der für den Spielbetrieb im Land zuständig ist, zu diesem Thema zu Wort melden." Was folgt, ist eine minutenlange Werbung für eine Fortsetzung, so wie sie bereits beschlossen worden war. Wenzel verteidigt nochmals seine Orientierung am Bayerischen Fußball-Verband, der sich im April auf eine Saisonfortführung festlegte. "Was ist falsch daran, sich auch an einem anderen Landesverband zu orientieren?", fragt er in den Saal. Und später, als der Verbandstag bereits Geschichte ist, ergänzt er: "Ich habe die Argumente, die dort aufgeführt wurden, für mich eindeutig als den richtigen Weg gesehen."

Zwei Monate nach der Festlegung auf eine Fortsetzung räumt auch Wenzel ein, dass letztlich niemand den richtigen Weg kenne. Die Gefahr einer zweiten oder gar dritten Corona-Welle sei da. "Wie wollen wir eigentlich agieren, wenn wir eine territorialen Quarantäne haben?"

Wenzel wird nicht erhört

Doch Wenzels Bitte, für eine Ausdehnung der aktuellen Spielzeit zu stimmen, wird nicht erhört. Wie schon Anfang Mai fällt das Votum knapp aus. 41 Delegierte stimmen für eine Fortsetzung, 54 für den Abbruch, zwei enthalten sich.

Das Ergebnis ist für das TFV-Präsidium wie ein Schlag ins Gesicht, wenngleich Präsident Wolfhardt Tomaschewski nicht von einer Klatsche reden möchte: "Das ist eine demokratische Entscheidung - genauso wie wir den Vorstandsbeschluss gefasst hatten. Das war für mich auch eine demokratische Entscheidung." Tomaschewski, der bereits im Januar seinen Rücktritt angekündigt hatte, hofft, dass nun endlich Ruhe einzieht. Aber dem 71-Jährigen ist schon am Samstag klar, dass auch der finale Entscheid neue Unzufriedenheit wecken wird. Denn: Die Saison 2019/2020 ist nicht nur abgebrochen, sondern auch annulliert ...

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