Die Türkei war demnach auch über die Pläne für die Durchsuchung des Schiffes informiert. Erst nachdem sie vier Stunden lang nicht reagiert hatte, wurde dies gemäß den Einsatzregeln als stillschweigendes Einverständnis für das Boarding gewertet.
Kontrollen wurden von EU gestartet
Der Einsatz zur Waffenembargo-Kontrolle war von der EU gestartet worden, weil in Libyen seit dem Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 Bürgerkrieg herrscht. Die Regierungstruppen werden von der Türkei unterstützt, ihr Gegner, General Chalifa Haftar, von Ägypten, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland. Zuletzt einigten sich die Konfliktparteien Ende Oktober auf einen Waffenstillstand. Ob er hält, gilt aber als unsicher.
Im September hatte die Besetzung der deutschen Fregatte „Hamburg“ bei der Kontrolle eines aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommenden Tankschiffes unter das Waffenembargo fallendes Kerosin entdeckt. Zudem wurden zuletzt EU-Sanktionen gegen Unternehmen verhängt, die Schiffe, Flugzeuge oder andere Logistik für den Transport von Kriegsmaterial bereitgestellt haben. Konkret geht es um drei Firmen aus der Türkei, Jordanien und Kasachstan. Mit der Sanktionierung von Unternehmen aus mehreren Ländern wollte die EU auch deutlich machen, dass sie nicht wie von der Türkei behauptet nur Waffenlieferungen an die libysche Regierung verhindern will, nicht aber an den gegnerischen Milizenführer Haftar.
Für Deutschland, Frankreich und Italien ist eine Lösung des Libyen-Konflikts auch wichtig, weil die chaotischen Zustände das Geschäft von Schlepperbanden begünstigen, die Migranten illegal über das Mittelmeer nach Europa bringen.
Bundestag kritisiert die Türkei
Aus dem Bundestag kam am Montag scharfe Kritik am Vorgehen der Türkei. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann rief Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auf, umgehend Stellung beziehen. „Es ist ein Unding, dass die Türkei zum wiederholten Male versucht, die Kontrolle ihrer Schiffe zu behindern“, kritisierte die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. „Wenn wir das zulassen, können wir die Mission beenden.“
Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen forderte, als Konsequenz der Ereignisse müsse die Bundesregierung endlich die Waffenexporte an die Türkei und alle anderen „Libyen-Brandstifter“ stoppen.
Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die deutsche Rüstungsindustrie seit 2004 Kriegsschiffe oder Teile dafür im Wert von 1,5 Milliarden Euro in die Türkei exportiert hat.
Griechenland fordert Stopp von Rüstungslieferungen an Türkei
Solche Rüstungslieferungen sind inzwischen wegen des Konflikts der Nato-Partner Griechenland und Türkei um Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer höchst umstritten. Bisher unterbindet die Bundesregierung nur den Export von Rüstungsgütern an die Türkei, die im Syrien-Krieg eingesetzt werden können. Güter für den „maritimen Bereich“ werden aber weiter genehmigt und ausgeführt.
Die Regierung des EU-Partners Griechenland hat Deutschland vor einigen Wochen aufgefordert, den Exportstopp auf Kriegsschiffe auszuweiten. Das betrifft insbesondere den Bau von sechs U-Booten der Klasse 214, die in der Türkei unter maßgeblicher Beteiligung des Konzerns ThyssenKrupp Marine Systems montiert werden.