Eisenacher Sommergewinn Hoffen auf Wärme und friedlichere Zeiten

Katrin Zeiß

Drei Wochen vor Ostern feiert Eisenach traditionell den Sommergewinn. Angesichts von Pandemie und Ukraine-Krieg dominierte beim großen Umzug am Wochenende die Hoffnung auf bessere Zeiten.

Winter adé: Der Eisenacher Sommergewinn ist nach zwei Jahren Corona-Zwangspause wieder mit einem Festumzug gefeiert worden. Bei dem größten und überregional bekannten Thüringer Frühlingsfest zogen am Samstag rund 900 Umzugsteilnehmer in 41 Laufgruppen und auf 28 geschmückten Festwagen durch die Stadt, wie eine Sprecherin der Sommergewinnszunft sagte. Die Polizei sprach von schätzungsweise 20 000 Menschen, die sich über die Stadt verteilten und den Umzug beobachteten. An dessen Ende stand traditionell das Streitgespräch zwischen „Herrn Winter“ und „Frau Sunna“, in dem der Winter regiegerecht den Kürzeren zog.

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Und wie man auch bei einem Fest namens Sommergewinn erwarten durfte, spielte auch der Wettergott mit – strahlender Sonnenschein und angenehme Temperaturen setzten das Geschehen ins rechte Licht. Deshalb nutzen viele Menschen einfach auch die Gelegenheit, um durch die Wartburgstadt zu flanieren. Dennoch hielt sich das Gedränge in Grenzen – vielleicht auch, weil im Vorfeld immer wieder dazu aufgerufen worden war, möglichst Abstand zu halten, um sich und andere zu schützen. Mit anderthalb Metern Abstand und teilweise auch mit Masken sei das ganz gut gelungen, hieß es. Zudem berichteten die Veranstalter, dass sich die Besuchermengen gut im Stadtzentrum verteilt hätten.

Die Vorsicht war denn auch angebracht: Der Sommergewinn und damit auch Umzug und Streitgespräch fielen in eine Phase sehr hoher Corona-Infektionszahlen, auch wenn der Wartburgkreis mit Eisenach gerade nicht die höchsten Inzidenzen des Freistaats vorzuweisen haben. Auch den ursprünglich eingeplanten Darsteller des „Herrn Winter“ hatte Corona erwischt – er musste ersetzt werden. Im Gegensatz zu den Festen in Vor-Corona-Zeiten seien dieses Mal einige Wagen ausgefallen, auch Laufgruppen seien infektionsbedingt teilweise mit weniger Aktiven dabei gewesen, berichtete die Sprecherin.

Aufwendige Vorbereitung

Vor zwei Jahren hatte der Sommergewinn sehr kurzfristig wegen des Mitte März in Kraft getretenen Lockdowns abgesagt werden müssen. Dies war nach Angaben der Sommergewinnszunft besonders bitter, weil die Vorbereitungen fast bis zuletzt gelaufen waren – und so manche fertige Festwagen nun zwei Jahre auf ihren Einsatz warten mussten. Denn zu den Traditionen des Sommergewinns gehört auch, dass zahlreiche Helfer zuvor aus Papier Blumen basteln, die zum Schmücken der Häuser und der Festwagen verwendet werden.

Nun wurde zum Sommergewinn endlich wieder auf der Straße getanzt und der traditionelle Ruf „Gut Ei und Kikeriki“ erklang. Natürlich herrschte auch der Jubel von mehreren tausend Zuschauern, als am Ende des traditionellen Streitgesprächs zwischen „Frau Sunna“ und dem Winter der kalte Gesell unterlag und eine Strohpuppe symbolisch für ihn in Flammen aufging.

Dass neben der Erwartung des optimistischen Frühlings mit seinem sprießenden Leben auch ein anderes Thema mit im Mittelpunkt stand – der Ukraine-Krieg – versteht sich da von selbst. Als Solidaritätsbekundung mit der Ukraine leuchtete der den Umzug beschließende Wagen in deren blau-gelben Nationalfarben. Vom Wagen herab wurden außerdem Spenden für ein Waisenhaus in der Ukraine gesammelt. Dies sei ein Zeichen, „dass es uns nicht egal ist, was in der Welt passiert“, sagte die Zunft-Sprecherin. Der Sommergewinn sei schließlich ganz traditionell auch ein Fest der Hoffnung. Auch „Frau Sunna“ – traditionell im Gold des Sonnenscheins – trug auf ihrem Kostüm eine kleine blau-gelbe Schleife.

Der Eisenacher Sommergewinn, der drei Wochen vor Ostern gefeiert wird, ist eines der ältesten und größten Frühlingsfeste in Deutschland. Seit inzwischen mehr als fünf Jahren zählt er zum immateriellen Unesco-Welterbe. Sein Ursprung dürfte in dem schon zu vorchristlicher Zeit üblichen Brauch des Winteraustreibens liegen – damals kannte man nur die Jahreszeiten Sommer und Winter. Eine direkte Konkurrenz zum christlichen Osterfest scheint es aber nie gegeben zu haben. Seit Ende des 13. Jahrhunderts dürfte der Sommergewinn in Eisenach immer mal wieder stattgefunden haben, seit dem 15. Jahrhundert gibt es Belege für ein regelmäßig stattfindendes Fest. In diesem Jahr stand der Sommergewinn im Zeichen des in Eisenach geborenen Komponisten und Organisten Johann Sebastian Bach (1685-1750).