Einsatz im Hochwassergebiet 72 Stunden lang „Hilfe auf allen Ebenen“

Nach der Rückkehr aus dem Katastrophengebiet: Die Breitunger Mannschaft mit Bürgermeister Ronny Römhild (ganz links), von links Christoph Gattinger, Michael Storandt, Danny Stein, Ronny Böttcher, Dirk Heymel, Manuel Storch, Kay Simon, Christian Kühnemund und Christoph Liebknecht. Foto:  

Zum ersten Mal waren Breitunger Feuerwehrleute mit dem neuen Katastrophenschutz-Fahrzeug im Einsatz, sie halfen im Hochwassergebiet an der Ahr. Was sie gesehen, gehört und erlebt haben, hat sie tief bewegt.

 
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Breitungen - Mit neun Mann ist das in Breitungen stationierte Löschfahrzeug LF 20 des Katastrophenschutzes komplett besetzt, aus neun Mann bestand auch die Abordnung aus Breitungen für den Einsatz im Hochwassergebiet an der Ahr. Neun Freiwillige, darunter Ortsbrandmeister Christoph Gattinger und Einheitsführer Christoph Liebknecht. Beide haben sich nach ihrer Rückkehr Zeit genommen, um im Rathaus bei Bürgermeister Ronny Römhild noch einmal über ihre Eindrücke zu sprechen.

Beide könnten lange erzählen – und sagen doch immer wieder dazu, sie hätten ja nur einen kleinen Ausschnitt gesehen von jenem Tal, wo der Fluss Ahr in der Nacht zum 15. Juli binnen kurzer Zeit zum meterhohen Strom anschwoll, Schlamm und Geröll brachte, Häuser mitriss, Schienen verbog, Autos untertauchte und Menschen wegspülte.

Der Gedanke, was wohl auf sie zukommen wird, habe ihn beschäftigt, räumt Ortsbrandmeister Gattinger ein. Noch immer werden Menschen im Katastrophengebiet vermisst.

Die Breitunger waren mit weiteren Kräften aus Südthüringen im Einsatz, darunter Feuerwehrleute aus Meiningen und Suhl, mit denen sie vor Ort zusammenarbeiteten. Kurz vor dem Ziel wurden sie von Schmalkalder Kräften eingewiesen, die mit dem Einsatzleitwagen vor Ort waren „und den Hut für die Thüringer aufhatten“.

Ihr Ziel war Bad Neuenahr-Ahrweiler. Einst gab es dort zwei Feuerwachen, „die in Ahrweiler ist zu zwei Dritteln weggespült“, berichtet Christoph Liebknecht. Die Breitunger wurden aufgeteilt. Fünf Einsatzkräfte blieben in der Wache 1 in Bad Neuenahr, vier wurden an den Nürburgring verlegt.

Christoph Gattinger zählte zur Gruppe in der Wache, mit Feuerwehrmännern aus Suhl und Meiningen bildeten sie einen Einsatzzug. Ihre Aufgabe waren die täglich anfallenden Arbeiten. Einmal wurden sie zum Brand einer Solaranlage gerufen, dann wurde Gasgeruch gemeldet und als es regnete und Gullis vollliefen, alarmierten die Leute vorsichtshalber ebenfalls die Feuerwehr. Die Angst sei groß, dass das Wasser wieder in die Häuser und die Keller laufe, erzählt Ortsbrandmeister Gattinger.

Christoph Liebknecht war in der Gruppe, die auf dem Nürburgring untergebracht war, im großen Zelt der Thüringer Feuerwehr. Sie fuhren täglich in den Ortsteil Ahrweiler, bauten einen Stützpunkt auf und machten sich größtenteils zu Fuß auf den Weg. Sie kontrollierten die Container mit Brauchwasser und schauten nach angeschwemmtem Gefahrgut. Dinge wie Gasflaschen, Farbeimer, Lackdosen, und auch eine Flasche Schwefelsäure, die vielleicht aus einer Apotheke gespült worden war, sammelten sie zur fachgerechten Entsorgung ein.

Der Geruch nach Diesel sei allgegenwärtig, manchmal roch es modrig, manchmal stach es in der Nase. Der Schlamm trocknet zu Staub, „und überall hört man es klopfen, es ist eine große Baustelle“. Sie sahen die Berge von Unrat, stellten Bauzäune vor einsturzgefährdete Häuser, wurden immer wieder angesprochen, woher sie kämen. „Als Thüringer waren wir sehr gut angesehen“, bemerkten sie.

In den Straßen seien mittlerweile nicht mehr so viele Bagger im Einsatz, „aber ich habe noch nie so viele Spülwagen“ gesehen“, berichtet Christoph Gattinger. Sie versuchten, das Kanalsystem wieder freizubekommen. Trinkwasser komme nach wie vor aus Flaschen, Strom könne nur nach und nach zugeschaltet werden.

Die Breitunger erlebten den Versuch, eine der Tiefgaragen freizupumpen. Es werde befürchtet, einige der noch vermissten Personen könnten in den Parkdecks ums Leben gekommen sein. Der Abpump-Versuch misslang. Noch drücke das Wasser zu sehr nach.

Zu den Bildern, die sich einprägten, zählt für Christoph Liebknecht auch der Friedhof in Ahrweiler, wo nur Teile der Grabsteine aus der Schlamm- und Schuttschicht ragen. Und die Geschichten, die sie von Einheimischen, teils selbst betroffenen, Feuerwehrleuten hörten. Die „zwei Tage lang nur Menschen gerettet und dann Leichen geborgen haben“.

72 Stunden waren die Breitunger im Grunde im Dauereinsatz, haben „Hilfe auf allen Ebenen geleistet“. War es sinnvoll, hinzufahren? „Ja“, betonen beide sofort, „eindeutig“. Sie hätten ihre Aufgabe erfüllen können.

Es wären auch mehr als neun Leute aus Breitungen mitgekommen, sagt Ortsbrandmeister Gattinger. Gerade wenn man selbst aus einem Hochwassergebiet komme, sei es doch selbstverständlich, zu helfen.

Spendenaktion: Der Verein „Freies Wort hilft – Miteinander Füreinander“ nimmt weiter Spenden für die Hochwasseropfer entgegen. Wir unterstützen besonders bedürftige Familien, Kinder und Einzelpersonen im Ahrtal.

Spendenkonto: DE39 84050000 1705 017 017, Verwendungszweck Flut 2021

Spenden sind steuerlich absetzbar. Jeder Euro kommt direkt bei den Betroffenen an.

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