Der offenbar hoch gebildete und vermögende Mann, sagt der Historiker, lässt sich bis ins Detail zerlegen. Beruflich und privat. Er begegnet uns eben nicht nur als Henker, sondern auch als sozial eingestellter Arbeitgeber, als Ratgeber, Geschäftsmann und Betriebswirt, als erfolgreicher Heiler, treuer Ehemann und liebevoller Familienvater, der sich die Schulbesuche und den Musikunterricht seiner Kinder einiges kosten ließ. Der jüngste Sohn Friedrich zum Beispiel verließ nach der Grundschule seine Südthüringer Heimat und besuchte das Lyzeum in Ohrdruf. Der Vater schickte dem Jungen regelmäßig Kerzen, „weil Friedrich früh aufstehen und lernen muss.“ Aber auch mit Leckereien aus der Heimat versorgte Glaser seinen jüngsten Spross. Mal waren es zwei Pfund Butter oder „Fleisch, weil wir eben eine Kuh geschlachtet haben“.
Die „Gläsernen Glasers“: Kai Lehmann kennt die Familie inzwischen in- und auswendig. Er weiß, was es im Hause des Henkers zu essen und zu trinken gab. Bis aufs Pfefferkorn genau hat Glaser aufgelistet, was im Alltag, zu Festlichkeiten wie Hochzeiten und Taufen auf den Tisch kam – und was das alles kostete. Er erstellte namentlich Gästelisten und bezifferte hinter jedem Namen den Geldwert der Geschenke (eine Sitte, die heute noch gepflegt wird). Vom Ofen über den Kinderstuhl bis hin zum Nachtstuhl und zur Schwitze-Bank in der Bade-Stube. Kai Lehmann weiß, aus welchen Stoffen die Hochzeitskleidung der Söhne und Töchter gefertigt waren. Jeder einzelne Knopf taucht in dem Anschreibebuch auf. Nachbauen ließe sich das Haus der Glasers, denn auch das Familienoberhaupt hat auch den Hausrat finanziell festgehalten. Vom Ofen bis zum „Kinderstuhl“ und zur Schwitz-Bank“. Selbst das Leben und Sterben seiner Eltern sowie den Lebenslauf seines Bruders – Scharfrichter in Weimar und Gotha – hielt Glaser fest wie die Sternbilder und Mondphasen bei der Geburt seiner Kinder oder die Ausgaben für seine Mägde und Knechte.
Es ist nicht nur die packende, mitreißende und überraschende Geschichte des Johann Jeremias Glaser, die Kurator Kai Lehmann in der Sonderausstellung „Der Henker des Herzogs“ erzählt. Beziehungsweise der Schauspieler Klaus Thieme, der als lebensgroßer visueller Audioguide durch die Schau führen wird. In der Totenhofkirche taucht der Besucher in die Welt der Scharfrichter im Allgemeinen und in die der Schmalkalder und Meininger im Besonderen ein. Leihgaben wie zwei Richtschwerter und Folterinstrumente werden zu sehen sein, aber auch Alltagsgegenstände wie Zinngeschirr, eine Kinderwiege und ein Kinderstall, heute sagt man Laufgitter dazu. Allgemeine Informationen zur Entwicklung des „Handwerks“ des Vollstreckers wird es geben, zu ihren Aufgaben und Nebentätigkeiten wie der Abdeckerei oder des Hundeschlags, dem Vorläufer der heute bekannten Hundesteuer. Der Kurator hat gar herausgefunden, wo die Henker von Schmalkalden einst lebten – vor dem äußeren Stiller Tor. Auch das konnten Kai Lehmann und sein Team anhand von im Stadt- und Kreisarchiv lagernden Zeichnungen orten und rekonstruieren. Stoff, aus dem Filme wahr werden. Die Ausstellung, die am 5. Mai, 18 Uhr, eröffnet wird, dürfte erst der Anfang sein.
Lesen Sie hier die Geschichte der überraschenden Entdeckung des Epitaphs.
Und hier den Beitrag über die Dreharbeiten mit Thomas Thieme, der dem Scharfrichter in der Ausstellung die Stimme leiht.