Eigener Inhalt Und sie wirbt doch

Susann Winkel

Wer hat denn nun das Internet nicht verstanden? Und warum ist plötzlich jedes Bild auf Instagram Werbung? So! erklärt den Aufruhr um das Vreni-Frost-Urteil.

 
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Der Hashtag der Woche heißt #Abmahngate. Ein Abmahnskandal also. In die Instagram-Welt gesetzt hat ihn die Bloggerin und Influencerin Vreni Frost aus Berlin. Die wurde ob ihrer Werbeaktivitäten in dem Fotonetzwerk abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Sie klagte, das Landgericht Berlin gab ihr nicht recht. Und nun sind alle auf Instagram ziemlich aufgeregt. Nun ja, nicht alle, aber alle Nutzer mit einer großen Fangemeinde, die häufig Produkte in die Kamera halten.

Das macht auch Vreni Frost und sie verdient ihren Lebensunterhalt damit. Ihr Livestyle-Blog "neverever" ist vor zehn Jahren und in Vor-Instagram-Zeiten einmal aus einer privaten Begeisterung für die Themen Mode, Beauty, Einrichtung und Reisen gestartet. Heute, mit 35, macht Vreni Frost pro Monat im Durchschnitt 25.000 Euro Umsatz durch Aufträge von Werbepartnern, wie sie in einem ZDF-Interview erzählte. Sie ist ein Profi, ihre Bilder sind kein Schnappschüsse, sondern mit Bedacht inszeniert. Eine eigene Projektmanagerin koordiniert, welche Marken Vreni Frost präsentiert. Dass sie dabei möglichst gut aussieht, dafür sorgen Stylisten und Fotografen.

Eine Werbefigur in den sozialen Netzwerken zu sein, das ist eine, wenngleich junge, doch legitime Art, sein Geld zu verdienen. Wenn denn dem Zuschauer am Bildschirm klar ist, dass er Reklame sieht, wenn Vreni Frost ihre neuen Turnschuhe präsentiert oder von einer Wodka-Verkostung berichtet. Tatsächlich kennzeichnete Vreni Frost entsprechende Foto-Kampagnen in der Vergangenheit als Werbung. So weit, so gut.

Abgemahnt wurde sie im März aber trotzdem – vom Verband Sozialer Wettbewerb, der bei etlichen Bildern den Hinweis "Werbung" vermisste. Bilder, bei denen Vreni Frost auch Markenprodukte präsentiert, auf die entsprechenden Unternehmen verlinkt, mit diesen aber keinen Werbevertrag hat. Sie nennt es eine private Empfehlung an ihre Follower, der Verband nennt es Schleichwerbung.

Der Verband Sozialer Wettbewerb ist nicht ganz so edelmütig, wie sein Name vermuten ließe und mahnt seit vorigem Jahr im großen Stil Instagramer und YouTuber ab. Das kostet die Betroffenen erst einmal jeweils 178,50 Euro Abmahnkosten, kann später aber empfindlich teuer werden, wenn sie denn auch die Unterlassungserklärung des Verbands unterschreiben. Finden sich dann nämlich in alten oder neuen Veröffentlichungen weitere Verstöße, können dafür schnell mehrere tausend Euro fällig werden.

Vreni Frost wollte das nicht hinnehmen und klagte sozusagen stellvertretend für die Branche. Auch das ist nicht ganz uneigennützig, da hochgradig aufmerksamkeitsfördernd. Das Landgericht Berlin gab bei der Verhandlung im Mai dem abmahnenden Verband recht. Die etwas verzögerte Aufregung ist dadurch zu erklären, dass die Urteilsbegründung jetzt erst öffentlich wurde.

Verknappt gesagt erklären die Richter, dass jemand wie Vreni Frost als Influencer über die digitalen Publikationskanäle geschäftlich handelt. Ihr Geschäft besteht darin, über ihre Popularität und Reichweite den Absatz von Produkten und Dienstleistungen Dritter zu fördern. Sie macht also Werbung für fremde Sachen und zugleich auch immer in eigener Sache, da es ihr Geschäftsmodell erfordert, bei Nutzern und potenziellen Kunden gleichermaßen bekannt zu sein. Wenn sie also auf ihren digitalen Kanälen Marken und Produkte nennt, ist dies nie ganz allein privater Natur. Eine geschäftliche Motivation ist immer ebenso anzunehmen und müsse dem Nutzer deutlich gemacht werden.

Vreni Frost und nicht wenige Blogger finden, die Berliner Richter hätten das Internet nicht richtig verstanden. Das Taggen von gezeigten Produkten, also ihre Markierung und Benennung im Bild und das Verlinken zu den Herstellern, sei keine Werbung, sondern ein elementarer Service für ihre Fans. Die wollen schließlich wissen, wo man das kaufen kann. Eine Begründung, die wiederum zeigt, dass die Berliner Richter ziemlich genau verstanden haben, wie Influencer ihr Geld verdienen.

Kompliziert wird es nun trotzdem durch das Urteil, das Vreni Frost in der nächsthöheren Instanz neu verhandeln lassen will. Aus Angst vor möglichen Abmahnungen kennzeichnen viele Blogger und Influencer und vor allem auch jene, die sich noch ganz am Beginn einer möglichen Karriere als Werbefigur befinden, nun alles als Reklame. Instagram ist derzeit eine einzige Dauerwerbesendung. Wobei: Das war es eigentlich schon immer. Auch vor dem #Abmahngate.

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