Eigener Inhalt Toyota Camry: Phönix wird Taxi

Wolfgang Plank

Wer wissen will, was im Stadtverkehr zählt, sollte bei Gelegenheit mal am Taxistand vorbeischauen. Die von Berufs wegen Leute chauffieren, wählen nämlich nicht nach Beschleunigung, Hubraum und Fahrdynamik, sondern nach Verbrauch, Zuverlässigkeit und niedrigen Wartungskosten. Hier, in der hellelfenbeinfarbenen Welt der sparsamen Kurzstrecke hat der Hybrid-Antrieb sein bevorzugtes Revier.

 
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Doch es muss nicht länger Prius sein: Toyota will "der neue Stern am Taxi-Himmel" mit einem Auto werden, das es schon in achter Generation gibt, und von dem sie 19 Millionen Exemplare in alle Welt verkauft haben: Nach 15 Jahren Abwesenheit kehrt der knapp fünf Meter lange Camry zurück nach Deutschland. Der Diesel-Boom besiegelte einst sein Schicksal, sein Doppel-Herz beschert ihm nun die Auferstehung. Phönix wird Taxi.

Gediegen schick schaut er aus. Beinahe seriös. Auch wenn der Grill ein wenig an die Furchen eines Blauwals erinnert. Womöglich genau das, was sie bei Toyotas Nobel-Schwester Lexus "provokative Eleganz" nennen. Opfer jedenfalls fordert die schwungvolle Linie nicht. Im Gegenteil: Die Beinfreiheit in zweiter Reihe ist bestens – und auch für den Kopf reicht es prima. Was durchaus verwundert. Immerhin findet unter den Hintersassen der Akku Platz. Und für 524 Liter Gepäck reicht es achtern auch noch.

Vorne residiert man im Anblick eines dynamisch gestylten Cockpits mit bis zu acht Zoll großem Display. Ganz Ausdruck von Omotenashi, der in Japan traditionellen Gastfreundschaft. Ab Werk ist darum auch das Safety System+ an Bord. Damit bremst der Camry bei Gefahr, hält Spur, Tempo und Abstand, erkennt Radfahrer am Tag – und Fußgänger sogar bei Nacht.

Meistens jedoch wird man sich wohl hinten finden. Als Passagier von Berufs-Chauffeuren, die sich beim eigenen Taxi mal was gönnen wollen. Der Rest ist für Flotten gedacht, deren Manager über die Abkehr vom Diesel nachdenken. So oder so: Acht von zehn Camrys werden nicht von privater Hand gelenkt. Beinahe schade bei so viel Präzision am Volant.

Ansonsten ist Komfort der Maßstab. Und Ruhe. Tür zu, Lärm draußen – so lautet in etwa die Camry-Formel. Jedenfalls so lange, wie man ihm nicht volle Beschleunigung abverlangt. Zwar lassen sich per Wählhebel auf der Konsole sechs Gänge simulieren, beim Kickdown indes jault
der stufenlose Automat noch immer mehr, als er einen tatsächlich voranbringt. Dank des größeren Triebwerks indes nervt das weniger lang als beim Prius.

Unter der Haube jobbt ein 2,5-Liter-Vierzylinder – mit 41 Prozent Wirkungsgrad das Vorbild eines Verbrenners. Zu den 177 PS aus dem Motor mit Kolben gesellen sich 120 aus einem mit Wicklung. Macht zusammen leider bloß 218 PS. Die aber reichen bei 1,6 Tonnen für einen Standard-Sprint in 8,3 Sekunden und Tempo 180. Rein elektrisch geht’s allenfalls drei Kilometer weit, doch dank Strom-Hilfe hat der Benziner eben doch gerne mal Pause. Die 4,3 Liter im Prospekt schafft man zwar nicht, knapp über fünf aber kriegt man ohne Krampf im Bein hin.

Ende Juli steht der Camry im Schaufenster. Für 39 990 Euro inklusive Klima, Leder, Sitzheizung und Sieben-Zoll-Monitor mit Rückfahrkamera. Für 2400 Euro mehr gibt´s in der Version "Executive" noch LED-Licht, Acht-Zoll-Navi sowie 18-Zöller. Das Taxi-Paket kostet 1773 Euro extra. Weder hier wie dort zu haben sind Head-up-Display und JBL-Soundsystem. Für den deutschen Markt nicht vorgesehen, heißt es. Taxifahrer sind eben sparsam.

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