Zumindest bei Wasserstoff aus Ökostrom plagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nun offenbar das schlechte Gewissen. Nach Jahren des Zuwartens sähe er Deutschland gerne in der weltweiten Vorreiterrolle. Drunter macht es die GroKo ja nicht. Dummerweise will Umwelt-Kollegin Svenja Schulze (SPD) Hydrogenium nur in der Stahl- und Chemieindustrie verwendet sehen, keinesfalls aber im privaten Pkw. "Verschwendung" sei das, gibt sie zu Protokoll.
Wie kurzsichtig der Schulze-Blick ist, offenbart die Zahl fünf: Soviel Terawattstunden sauberer Strom gehen der Republik Jahr für Jahr durch Stillstand verloren. Weil Windkraft-Anlagen bei Sturm gestoppt werden. Nicht etwa, um sie vor Schaden zu bewahren, sondern weil sie sonst zu viel Elektrizität produzieren würden. Bei 14 000 Kilometer im Schnitt könnten damit eine Million Wasserstoffautos ein Jahr lang fahren. Quasi zum Nulltarif. Verschwendung sieht irgendwie anders aus.
In Japan und Korea scheren sie sich weder um Frau Schulze noch um Herrn Altmaier. Toyota wird für den Mirai längst nicht mehr so belächelt wie 1997 für den ersten Hybrid-Prius. Hyundai treibt die Technologie ähnlich konsequent voran und hat mit dem Nexo schon die zweite Generation Wasserstoff-Auto im Angebot. Mercedes versucht sich eher halbherzig mit dem GLC F-Cell. Den Durchbruch könnten Nutzfahrzeuge bringen, deren CO2-Ausstoß nach EU-Vorgaben bis 2025 um im Schnitt 15 Prozent sinken muss, bis 2030 um 30 Prozent. Und mit fallenden Kosten könnte die Brennstoffzelle dann auch in Pkw vermehrt zum Einsatz kommen.
Wenn da nicht das deutsche Tankstellen-Netz wäre, das mit grobmaschig nicht böswillig beschrieben ist. Aktuell fließt Wasserstoff aus gerade mal 80 öffentlichen Zapfsäulen – die Zukunft kommt also im Wortsinn tröpfchenweise. Ein Verbund aus Gas-Unternehmen und Autobauern plant 400 Säulen bis 2023. Selbst das wäre gerade mal die Hälfte der 1000, die der Gas-Hersteller Linde als flächendeckend für erforderlich hält – und doch schon eine Investition von ein paar hundert Millionen Euro.
Andererseits: Bei Kosten von rund einer Million pro Zapfsäule kann man auch ganz andere Rechnungen aufmachen. Ohne das Dauerdebakel am "Fluchhafen" BER wären bereits mehr als 2800 Wasserstoff-Tankstellen bezahlt – und jeden Tag käme eine neue dazu.