Handelskrieg-Gefahr überschattet andere Themen beim Gipfel
Eigentliches Hauptthema bei dem informellen Gipfeltreffen in Brüssel waren mögliche gemeinsame Initiativen zum Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten und die Frage, wie notwendige Investitionen finanziert werden sollten. Etliche Staaten sind angesichts der Bedrohungen durch Russland offen für die Aufnahme neuer gemeinsamer Schulden. Insbesondere Deutschland, die Niederlande und Österreich lehnen dies aber ab.
Bundeskanzler Scholz machte deutlich, dass aus seiner Sicht zum Beispiel strenge Wettbewerbsregeln gelockert werden könnten, um die Leistung der europäischen Rüstungsindustrie zu steigern. "Die Unternehmen müssen von all den rechtlichen Regeln befreit werden, die ihre Zusammenarbeit beeinträchtigen. Die Staaten müssen in Einkaufsprozesse anderer Staaten ohne neues Einkaufsverfahren einsteigen können", sagte er. Es brauche weniger Bürokratie und mehr Entschlossenheit.
Frankreichs Präsident Macron betonte, dass bei allen künftigen Investitionen vorrangig die europäische Industrie profitieren sollte, um die EU im Bereich der Verteidigung strategisch unabhängig zu machen.
Streit um Verteidigungsfinanzierung
Als ein möglicher Kompromiss in der Aufrüstungsdebatte wird auch der Ausbau der Rüstungsfinanzierung durch die Europäische Investitionsbank (EIB) gesehen. Zudem ist auch ein Programm im Gespräch, bei dem die EU-Kommission für Mitgliedstaaten Darlehen zu günstigen Bedingungen organisiert. Mit einem solchen Programm hatte die Kommission in der Corona-Krise auch nationale Kurzarbeitsregelungen unterstützt.
Um was für Dimensionen es geht, zeigen Schätzungen der EU-Kommission. Sie ging bereits im vergangenen Sommer davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Verteidigungsinvestitionen in Höhe von rund 500 Milliarden Euro erforderlich sind. Als mögliche EU-Projekte gelten dabei zum Beispiel ein europäisches Luftverteidigungssystem und eine verstärkte Sicherung der östlichen Landgrenze der Union.