Drogen und Jugendliche Cannabis überall – Was Eltern jetzt wissen müssen

Sandra Markert

Seit dem 1. April ist der Konsum in Deutschland legal, allerdings nicht für Jugendliche. An Gras kommen sie nun trotzdem einfache. Die wichtigsten Fragen und Antworten für Familien.

 
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Wenn Jugendliche Cannabis konsumieren, lohnt es sich für Eltern, ruhig zu bleiben, jedoch gleichzeitig nicht verharmlosend zu agieren. Foto: /mariesacha

Während es Erwachsenen seit dem 1. April in gewissen Grenzen erlaubt ist, Cannabis zu nutzen, bleiben Erwerb, Besitz, Konsum und Anbau für Minderjährige verboten. Für alle Straftaten in Zusammenhang mit Cannabis, die für Erwachsene strafbar sind (wie das Verkaufen oder die unerlaubte Weitergabe von Cannabis), können auch Jugendliche, die bereits strafmündig sind (also ab 14 Jahren) zur Verantwortung gezogen werden.

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Für Menschen ab dem 18. Lebensjahr gilt, dass für den Eigenkonsum der Besitz von 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum oder 50 Gramm der getrockneten Pflanze im privaten Raum erlaubt ist. Ebenso dürfen dort drei Cannabissetzlinge großgezogen werden.

Gibt es Ausnahmen ähnlich wie bei Alkohol, wenn die Eltern dabei sind?

Für Bier, Wein und Sekt gibt es eine Art Elternbonus: Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren dürfen diesen Alkohol trinken, wenn die Eltern dabei sind – sonst erst ab 16. Die Weitergabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche wird dagegen bestraft – auch wenn das die eigenen Eltern tun.

Wer zu Hause als Erwachsener für den Eigenkonsum Cannabispflanzen anbaut, muss dafür sorgen, dass Minderjährige darauf keinen Zugriff haben, genauso wie auf Cannabisprodukte und Cannabissamen. Auch der Konsum von Cannabis in Gegenwart von Kindern und Jugendlichen ist verboten.

Warum bleibt Cannabis für Jugendliche verboten?

Das menschliche Gehirn entwickelt sich in zwei Phasen: Die erste läuft im Mutterleib ab, die zweite während der Pubertät – und dauert bis zum 25. Lebensjahr. Wird das Gehirn in dieser Zeit regelmäßig mit THC geflutet, dem psychoaktiven Wirkstoff der Hanfpflanze, kann dies laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Reifeprozesse und damit verbunden die Persönlichkeitsentwicklung stören. Denn der menschliche Körper produziert selbst Stoffe, die den Substanzen im Cannabis sehr ähnlich sind, die sogenannten Endocannabinoide. Sie steuern, welche Vernetzungen genau zwischen den Nervenzellen im Gehirn stattfinden und wo die Nervenzellen hinwandern müssen. Kommt nun auch noch THC hinzu, wird diese Entwicklung gestört.

Kiffen Jugendliche regelmäßig, riskieren sie, dass sich ihre geistige Leistungsfähigkeit verringert. Sie haben ein schlechteres Gedächtnis, sind weniger aufmerksam. Ob das Gehirn durch das Kiffen dauerhaft verändert werden kann oder sich wieder normalisiert, wenn man mit dem Kiffen aufhört, wird noch erforscht. Hinzu kommt, dass Cannabis in einem Joint oft zusammen mit Tabak geraucht wird. Dadurch erhöht sich auch das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.

Wie wirkt Cannabis?

Cannabis kann positive oder negative Gefühle auslösen oder verstärken. Es wirkt bei jedem Menschen und in jeder Stimmungslage anders. Wer mit Freunden einen lustigen Abend erlebt, ist vielleicht noch entspannter und alberner. Es kann aber auch zu negativen Wirkungen wie Angst- und Panikgefühlen führen, zu Herzrasen oder Halluzinationen.

Was reizt Jugendliche an Cannabis?

Neugier, Spaß haben, entspannt sein, sozial dazugehören: Das sind die meistgenannten Gründe einer großen Befragung unter 50 000 Cannabiskonsumenten. „Auf Jugendliche lässt sich das so ähnlich übertragen“, sagt Carina Weirather, Sozialpädagogin und Theatertherapeutin bei der Wilden Bühne Stuttgart, einem soziokulturellen Forum für ehemalige Drogenabhängige. „Hinzu kommt, dass Erwachsenwerden verschiedene Entwicklungsaufgaben mit sich bringt und Cannabis oder Alkohol bei diesen Aufgaben unterstützend wirken“, so Weirather.

Zu diesen Entwicklungsaufgaben gehört: herauszufinden, wer man ist – und wer man sein möchte. Sich aus der Geborgenheit der Eltern zu lösen – und im Freundeskreis oder einer Beziehung neue Geborgenheit zu finden. Und ein ausgeprägtes Risikoverhalten. Denn wegen der Umbauten im Gehirn brauchen Jugendliche wesentlich stärkere Anreize als Erwachsene, um Glücksgefühle zu verspüren. Wer nun gemeinsam mit Freunden kifft, fühlt sich der Gruppe zugehörig, wird vielleicht entspannter, glücklicher, traut sich mehr zu. „Das ist auch der Grund, warum 90 Prozent der Jugendlichen den Konsum dann wiederholen“, sagt Carina Weirather.

Und wie verhält man sich als Eltern?

Angebracht sind weder Panik noch Verharmlosung, findet Carina Weirather. Nach wie vor konsumiert nur eine Minderheit der Jugendlichen Cannabis, die Einstiegsdrogen bleiben weiterhin Alkohol und Tabak. Einer Umfrage der BZgA zufolge gaben zehn Prozent der unter 18-Jährigen an, schon einmal gekifft zu haben. Bei den 18- bis 25-Jährigen waren es dann allerdings mehr als 40 Prozent.

„Eltern sollten sich Faktenwissen aneignen und dann auf sachlicher Ebene mit einer klaren Haltung und ohne erhobenen Zeigefinger mit den Jugendlichen diskutieren“, sagt Annika Miller, Jugend- und Heimerzieherin bei der Caritas Stuttgart. Die Gesetzeslage mit dem Verbot gibt für sie einen guten Rahmen vor – bedeutet im Zweifelsfall aber auch eine Auseinandersetzung mit den Kindern. „Dazu muss man als Eltern aber bereit sein. Jugendliche brauchen Grenzen“, sagt Miller.

Wenn sie Cannabis ausprobieren wollen, wird sie das elterliche Gespräch vermutlich trotzdem nicht davon abhalten. Jedoch werden sie im Hinterkopf behalten, dass es den Eltern eben nicht egal ist, was sie tun.

Und wenn das Kind trotzdem regelmäßig kifft?

In solchen Fällen lohnt es sich, ruhig zu bleiben – und das Thema anzusprechen, jedoch ohne Vorwürfe. Zielführender sei, herauszufinden, warum, wie häufig und mit wem das Kind kifft. „Und wenn man allein nicht weiterkommt, sich nie zu scheuen, bei einer Suchtpräventions- oder Beratungsstelle Hilfe zu holen“, sagt Annika Miller. Die Angebote gibt es für Eltern wie für Jugendliche, sie sind anonym und kostenlos.

Info

Was ist Cannabis überhaupt?
Die Hanfpflanze ist eine der ältesten Nutzpflanzen. Sie enthält über 100 sogenannte Cannabinoide, am häufigsten enthalten sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC wirkt berauschend, entspannend, beruhigend und schmerzlindernd. CBD gilt als schwach beruhigend. Beide Wirkstoffe sind vor allem in den Blüten und blütennahen Blättern der weiblichen Hanfpflanze vorhanden. Marihuana, Gras oder Weed bezeichnet die getrockneten Blüten; Haschisch, Shit oder Dope das eingedickte und ausgehärtete Harz aus dem Pflanzensaft gepresster Blütenstände.

Beratung und Hilfe
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet digital Selbsttests und Beratungen an (www.drugcom.de). Zudem gibt es noch ein umfangreiches Informationsangebot der BZgA unter www.infos-cannabis.de