Dorfgespräche Bedheimer wollen Konflikte lösen

Kurt Lautensack
In Vierergruppen tauschten sich die Teilnehmer zu den Werten eines Menschen aus. Foto: Kurt Lautensack

„Dorfgespräche – drei Abende für die Zukunft“, so lautet das Motto für den Gesprächszyklus, durch den die Pfunde des Ortes hervorgekehrt werden sollen.

 
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„Bei uns im Ort ist ja kaum was los.“ So oder ähnlich hört man es oft bei Gesprächen in Dörfern. Doch ist es wirklich so, oder empfinden es nur diejenigen so, die sich weder in Vereinen oder bei anderen Gelegenheiten ins Dorfleben einbringen? Jeder mag das aus eigener Sicht unterschiedlich beurteilen, doch die Dorfgemeinschaft braucht viele Mitstreiter, damit eben etwas los ist. Um sich in unserer „modernen“ Gesellschaft nicht zu weit voneinander zu entfernen und sich der Werte oder eben der Pfunde des Dorfes zu erinnern, dazu sollen die sogenannten Dorfgespräche ein Baustein sein.

In Bedheim fand am Sonntag das zweite von drei dieser Dorfgespräche im Mehrzweckgebäude statt. Ute Waldenburger und Stephan Schnurre vom Team Diskurs aus Jena, beide mit einem abgeschlossenen Pädagogikstudium, Erfahrungen im Lehramt und diversen Weiterbildungen, leiteten das Dorfgespräch. Bereits vor Beginn und während der Begrüßung bei Kaffee und Kuchen aus der heimischen Backröhre, war die lockere und durchaus entspannte Atmosphäre spürbar, die sich durch den ganzen Nachmittag zog. Dabei sprachen sich alle Teilnehmer mit dem Vornamen an, wie es eben auf dem Dorf üblich ist. In der Auswertung der ersten Gesprächsrunde, die Anfang September stattfand, stellte Ute Waldenburger fest, welch tolle Gestaltungsmöglichkeiten sich für den Ort eröffneten. Damals nahmen 90 Erwachsene daran teil, wie versichert wurde.

In einer Übersicht waren die Ergebnisse nochmals zusammengefasst und in Schwerpunkte eingeteilt: „Highlights in Bedheim“, „Was Bedheim lobenswert macht“, „Talente, die wir einbringen können“ und „Unser Dorf in fünf Jahren“. Begriffe wie Pfingstwanderung, Sportfeste, Backhausfest, Orgelkonzerte, Kirmes, Dorfladen, Zauberwald, Kirche, Menschen, handwerkliches Geschick, Schule, Kindergarten oder kleine Gaststätte, die sich die Bedheimer wohl wieder wünschen, füllten die Übersicht. Die Wünsche für die kommenden fünf Jahre könnten ein Antriebsmotor für Initiativen sein.

In der zweiten Runde ging es um das Thema Konflikte und Konfliktbewältigung. Beim Einstieg in dieses Thema wurde das Beispiel Nachbarschaft aufgegriffen – zwar locker dargeboten, doch durchaus ein ernster Konflikt, der sich aus einem kurzen Nachbargespräch entwickeln könnte. Da sagt die Neu-Bedheimerin (Ute) zum Nachbar (Stephan): „Sag mal, dein Grundstück sieht aber liederlich aus“. Darauf der Nachbar: „Das geht dich überhaupt nichts an“. Ein solcher Disput kann manchmal vor dem Gericht enden. Doch soweit soll es ja nicht kommen. Was tun in einer solchen Situation?

Wie kann man Konflikte lösen?

Beide Moderatoren schicken die Bewohner, im Gespräch waren es letztlich zwölf Paare, symbolisch in das „stille Kämmerlein“, um über sich, die Äußerungen und die Werte des Nachbarn drei Minuten nachzudenken. Denn ist es nicht auch im Alltag besser, lieber kurz in sich zu gehen, als die Situation noch zu verschärfen und sich doch lieber wieder die Hand zu reichen? In einem anderen Partnergespräch ging es darum, sich zu fragen, warum man Menschen (auch Nachbarn oder Bekannte) bewundert und welche Werte sie symbolisieren? Werte, die beim Nachdenken und im Gespräch herauskommen wie „hilfsbereit“, „zuverlässig“, „ehrlich“ oder „mutig“, wurden zusammengetragen. Dass dabei auch „aufbrausend“, „stur“ oder „bockig“ herauskommt, ist allzu menschlich. Dabei lässt sich vieles auch auf die Dorfgemeinschaft übertragen, in dem man sich die Frage stellt: Was haben wir im Dorf zu bieten? Was machen wir schon oder was wäre möglich? Welche Konflikte können auftreten?

Zur Konfliktlösungen stellt das Moderatorenteam vier Varianten gegenüber: „Bei Konflikten will ich immer gewinnen (will sich durchsetzen)“, „Konflikte vermeide ich lieber (wegen der Harmonie?)“, „bei Konflikten gebe ich lieber nach“, „in Konflikten suche ich Kompromisse.“ Mehrheitlich zogen die Teilnehmer die Kompromisslösung vor. Was können Auslöser solcher Konflikte sein? Auch da fiel den Bedheimern manches ein, wie beispielsweise Lärmbelästigung durch Motoren, Maschinen zu unüblichen Zeiten, Müll verbrennen, Hundehaufen, Neid, Missverständnisse (auch zwischen Vereinen), Jung und Alt, ein falsches Wort zur falschen Zeit et cetera. Auch dazu wurden Lösungsmöglichkeiten besprochen.

Natürlich können mit diesen drei Dorfgesprächen nicht gleich alle Probleme gelöst werden. Aber man kommt sich persönlich näher, wird gesprächsbereiter und erlegt sich selbst eine größere Akzeptanz auf. Und wenn mancher bei einem Spaziergang mit seinem Hund sich solcher Gespräche erinnert und den Hundehaufen nicht am Weg/auf dem Gehweg liegen lässt, dann ist doch schon etwas erreicht oder? Die Moderatoren Ute Waldenburger und Stephan Schnurreverstanden es mit Gefühl, pädagogischen Geschick und einem Schuss Humor, sich in die Gemeinschaft einzubringen. Übrigens ist auch Haina in das Projekt „Dorfgespräche“ eingestiegen.

Info

Diskurs
ist ein 1999 gegründeter, gemeinnütziger Verein mit Sitz in Jena mit dem Anliegen, Angebote in der politisch-sozialen Bildung zu machen. Seine Ziele bestehen in der Stärkung von Demokratie, demokratischer Kultur und Partizipation. Aktuell ist der Diskurs e. V. Träger fünf verschiedener Projekte, darunter die „Dorfgespräche“. Moderiert werden die Dorfgespräche von Mitgliedern des Diskurs-Mitarbeiterteams, die über langjährige Erfahrungen in den Bereichen Demokratie- und Vielfaltspädagogik, Fortbildung und Training, Coaching und Organisationsentwicklung verfügen. Für den jeweiligen Ort, der sich für dieses Projekt interessiert und mitmachen möchte, entstehen keinerlei Kosten. Gefördert werden die „Dorfgespräche“ durch das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) und „Denk Bunt“ im Rahmen des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.

Dorfgespräche
sollen einen Begegnungsraum schaffen, um miteinander ins Gespräch zu kommen, aber auch um den Wohnort mitzugestalten. Sie sollen dazu beitragen, die Stärken im Dorf zu erkennen, sie besser einzusetzen und sich bei verschiedenen Gelegenheiten mit einzubringen. Über Gespräche hinweg entsteht auch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl, das verlorene gegangene Werte wieder an die Oberfläche holt. Es geht dabei um Themen, die den einen oder anderen ohnehin beschäftigen, wie es die „Dorfgespräche“ thüringenweit zeigen. Dabei wird auch Neues entdeckt, wenngleich man es eigentlich schon kennt. Wenn viele Einwohner mitmachen, kommt man mit manchen ins Gespräch, mit denen man noch nie geredet hat. Und es könnten im Ergebnis solcher Gespräche auch kleinere oder größere Projekte ins Leben gerufen werden, die gemeinsam in die Hand genommen werden.

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