In Cannes ist „Anatomie eines Falls“ mit der Goldenen Palme als bester Film ausgezeichnet worden. Das Team ist im Gespräch für das Oscar-Rennen, auch Hüller als Hauptdarstellerin. Die Shortlist wird am 21. Dezember bekannt gegeben, die Nominierungen am 23. Januar.
Das Besondere daran ist: Unter den für den Oscar eingereichten Filmen ist auch „The Zone of Interest“ des britischen Regisseurs Jonathan Glazer. Hüller spielt darin Hedwig Höß, Frau des Lagerkommandanten im KZ Auschwitz Rudolf Höß. Das Drama erzählt vom häuslichen Alltag der Familie Höß, die direkt am KZ Auschwitz ein luxuriöses Haus bewohnte. Von Auschwitz sehen die Zuschauer nur die Außenmauern oder einen rauchenden Schornstein. Schreie sind zu hören, während Hedwig ihren stattlichen Garten abschreitet oder dem Baby Blumen zeigt. Das Grauen wird durch den starken Kontrast zum Leben der Familie Höß deutlich. Im Laufe der Geschichte entfaltet Hüller so subtil wie mächtig die Monstrosität, die in ihrer Figur verborgen liegt.
Der Film, nun ebenfalls Oscar-verdächtig, kommt im Februar in die Kinos. Wie „Anatomie eines Falls“ hatte auch „The Zone of Interest“ eine Einladung nach Cannes bekommen und war hier mit dem Großen Preis der Jury, der zweitwichtigsten Auszeichnung geehrt worden.
Nach einem Bericht des Fachblatts „Variety“ könnte Hüller damit ein kleines Stück Oscar-Geschichte schreiben. Sie wäre die erste Schauspielerin in nicht englischsprachigen Produktionen mit zeitgleichen Nominierungen für Haupt- und Nebenrolle. Ein Vorzeichen gibt es bereits: Hüller ist nominiert für die Gotham Awards. Die seit 1991 verliehenen Preise gelten als Auftakt der Trophäensaison, die im März mit der Oscar-Verleihung endet.
Wie sie sich für eine Rolle entscheide, folge keinen festen Kriterien, erläutert Hüller im Gespräch. „Ich habe da keinen Katalog“, sagt die 45-Jährige. „Das ist wirklich immer eine Intuitionsentscheidung, ob ich mit jemandem lange etwas zu tun haben will.“
So sei die Entscheidung beim Angebot für „Anatomie eines Falls“ rasch gefallen. „Ich war sofort verliebt in die Rolle. Ich wollte das unbedingt machen“, sagt Hüller. Ganz andere Kriterien nennt sie bei ihrer Entscheidung für die Rolle der Hedwig Höß, in „The Zone of Interest“. Die Zusage hat sie sich nach eigenen Angaben nicht leicht gemacht. „Die Höß-Rolle habe ich nicht angenommen wegen der Höß oder weil mich interessiert hat, wie die ist, sondern für Jonathan Glazer“, sagt Hüller. „Es ging überhaupt nicht um die Figur, an keiner Stelle.“