Die Such- und Rettungsarbeiten am mehr als 3340 Meter hohen Berg auf der Grenze der Regionen Trentino-Südtirol und Venetien mussten wegen des schlechten Wetters unterbrochen werden. Ohnehin schickten die Einsatzkräfte keine Leute mehr direkt auf den Lawinenkegel, weil sie befürchteten, dass weitere Gletscherstücke wegbrechen könnten. Ein Brocken von 200 Metern Breite, 60 Metern Höhe und 80 Metern Tiefe hänge gefährlich über dem Abhang, teilte der Zivilschutz mit.
Bevor sie wegen des Schlechtwetters vom Gletscher abgezogen wurden, lokalisierten die Drohnen am Vormittag Leichenteile und Material wie Seile und Rucksäcke, sagte Alex Barattin von der Bergrettung Belluno.
Papst Franziskus betet für die Opfer
Es gebe aber praktisch keine Chance mehr, noch Überlebende unter den Eis- und Geröllmassen zu finden. Vielmehr dürfte nach Einschätzung der Bergungsteams die Identifizierung der Leichen schwierig werden in Anbetracht der Kräfte, mit der die Lawine die Leute erwischt hatte.
Für die Mittagszeit hatte sich Italiens Ministerpräsident Mario Draghi im Lagezentrum der Einsatzkräfte in dem Ort Canazei angekündigt, musste seine Anreise per Helikopter wegen des schlechten Wetters aber abbrechen. Er stieg stattdessen auf ein Auto um. Der 74 Jahre alte Regierungschef wollte sich mit dem Chef des Zivilschutzes über die aktuelle Situation informieren. In Canazei trafen am Montag erste Verwandte von Vermissten ein, um nach Informationen zu ihren Angehörigen zu fragen und die geborgenen Toten zu identifizieren. Auch eine Servicenummer für Angehörige wurde eingerichtet.
Staatschef Sergio Mattarella telefonierte mit den Präsidenten der beiden Regionen, um seine Anteilnahme auszudrücken, wie sein Amtssitz mitteilte. Auch andere Politiker drückten ihre Anteilnahme aus.
Papst Franziskus betete für die Opfer. „Die Tragödien, die wir gerade mit dem Klimawandel erleben, müssen uns dazu drängen, dringend neue menschen- und naturbewusste Wege zu finden“, forderte das 85 Jahre alte Oberhaupt der katholischen Kirche bei Twitter.
Reinhold Messner hat eine Erklärung
Nach Einschätzung von Klimaexperten und Gletscherforschern ist das Unglück auch auf die steigenden Temperaturen zurückzuführen. Diese lassen die Gletscher immer weiter schmelzen und bröckeln; wegen des geringen Niederschlags in diesem Winter fehlte Schnee, der den Gletscher zusätzlich vor der Sonne hätte schützen können.
Auch der Extrembergsteiger Reinhold Messner hat eine Erklärung für das Unglück und war nicht überrascht. „Der Hauptgrund ist die Erderwärmung und der Klimawandel. Diese fressen die Gletscher weg“, sagte der 77-Jährige der dpa. Just an den Abbruchkanten bilden sich dann sogenannte Eistürme - Séracs genannt - „die so groß sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen“, erklärte Messner.
Der Südtiroler, der als erster Alpinist alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hatte, kennt Séracs etwa aus dem Himalaya. Er mahnt, Touren auf Eis nur mit Bergführer zu machen. Doch selbst das ist keine Sicherheitsgarantie; nach Medienberichten gehören auch Bergführer zu den Vermissten nach der Dolomiten-Katastrophe.
Vorfälle wie an der Marmolata „werden wir häufiger sehen“, meinte Messner. „Heute gibt es viel mehr Fels- und Eisabbrüche als früher.“
„Die globale Erwärmung kommt aus den Ballungszentren und Städten, von den Autobahnen und Fabriken“, sagte Messner. „Aber wir in den Bergen merken sie, schon seit 30 Jahren sehen wir mit bloßem Auge, wie die Gletscher schmelzen. Dazu muss man kein Wissenschaftler sein.“