Macron ist in seinem Element. Immer schon hat er die internationale Bühne gesucht, auf der er auf Augenhöhe mit den Mächtigen dieser Welt Frankreich als Grande Nation und diplomatischen Akteur ersten Rangs präsentiert. Umso überraschender ist es, dass er ausgerechnet in der US-Hauptstadt so scharf gegen seinen Gastgeber schießt. Dessen Entscheidungen würden den Westen zersplittern, warnte er mit Blick auf Bidens Gesetz bei einer Rede in der französischen Botschaft.
Tags drauf hingegen wirkt er fast kleinlaut neben dem US-Präsidenten, der sein Gesetz verteidigt. "Wir wollen gemeinsam Erfolg haben, nicht gegeneinander", sagt Macron. Von Angriff keine Spur mehr. Für Biden ist das Vorhaben der größte Erfolg in seiner bisherigen Amtszeit. Erst nach zähen Verhandlungen im Kongress landete es auf seinem Schreibtisch. Für die Europäer hingegen verstößt das Gesetz à la "Made in America" gegen die Richtlinien der Welthandelsorganisation - ist Protektionismus pur.
Davon will Biden nichts hören - aber es ist auch nicht in seinem Sinne, die Europäer völlig zu düpieren. Das gilt gerade in Zeiten, in denen der Westen gegen Russland weiter geschlossen zusammenstehen soll. Allerdings schlägt Biden den Europäern vor, ein ähnliches Gesetz auf den Weg zu bringen, um ihre Wirtschaft zu fördern. Ähnlich hatte sich auch schon der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck geäußert und eine "robuste Antwort" der EU auf die Pläne angekündigt.
Kompromiss nicht ausgeschlossen
Biden gesteht nach einem langen Gespräch mit Macron im Oval Office auch ein, dass es da wohl ein paar Mängel in dem Gesetz gebe, die man korrigieren könne. Wie genau das aussehen soll, sagt er nicht. Der 80-Jährige macht aber deutlich, dass er nicht die Absicht gehabt habe, Partner zu verprellen. Ein Kompromiss ist nicht ausgeschlossen.
Es ist zumindest ein Zugeständnis, das Macron mit zurück nach Frankreich - und damit auch nach Europa bringen kann. Denn der Franzose sieht sich in dem Handelszoff auch als ein tatkräftiger Anführer und Fürsprecher der EU. Und, auch das wird bei seinem Besuch deutlich, er wird in den USA längst als Anführer des alten Kontinents gesehen. Eine Rolle, die ihm zu Zeiten von Angela Merkel wohl eher nicht zugestanden worden wäre. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war Anfang des Jahres zu Gast im Weißen Haus, der Trip war allerdings ein deutlich schnöderer Arbeitsbesuch ohne Pomp.
Der Glanz seiner USA-Reise steht für Macron in großem Kontrast zu innenpolitischen Problemen, mit denen er seit dem Start in seine zweite Amtszeit konfrontiert ist. Seit dem Verlust der absoluten Mehrheit im Parlament im Sommer kann der Liberale Reformvorhaben nur noch schwer voranbringen. Oft versucht die Opposition, das Macron-Lager zu blockieren, eine Kompromiss-Kultur ist in weiter Ferne. Die staatsmännischen Bilder aus den USA dürften ihm dabei wenig helfen.
Offen dürfte auch bleiben, wie gut Macron der amerikanische Käse geschmeckt hat, der beim festlichen Staatsbankett auf der Speisekarte stand. Eigentlich sind es die Franzosen, die sich für ihren Käse rühmen, der auch auf dem Weltmarkt eine herausragende Rolle spielt. Doch auch hier setzen die Bidens auf das Motto "Made in America".