Dillstädt Bürgermeisterin: Man muss mit der AfD zusammenarbeiten!

Dieser TV-Auftritt einer Südthüringer Bürgermeisterin sorgt bundesweit für Aufsehen: Statt die AfD als rechtsextrem zu brandmarken, solle man mit ihr kooperieren, sagt Liane Bach aus Dillstädt bei Suhl.

 
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„Wenn man etwas ignoriert, wird es noch schlimmer“: Liane Bach aus Dillstädt bei „Hart aber fair“ am Montag in der ARD. Neben ihr Moderator Louis Klamroth. Foto: Screenshot

Die AfD in Entscheidungen  einbeziehen statt sie  auszugrenzen: Mit dieser Forderung hat die Bürgermeisterin von Dillstädt bei Suhl  bei Fernsehzuschauern und in den sozialen Netzwerken einen Treffer gelandet.  „Ich würde der Politik raten, dass sie mit der AfD zusammenarbeitet. Wenn man etwas ignoriert, wird es nur noch schlimmer“, sagte die parteilose Ortschefin Liane Bach am Montagabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“. „Sie sind demokratisch gewählt, bekommen ihr Geld vom  deutschen Steuerzahler und sollen in Entscheidungen mit einbezogen werden“, sagte die Bürgermeisterin mit Blick auf die Abgeordneten der Partei. Das Argument, dass die AfD in Teilen rechtsextrem sei, könne bei ihr im Ort „keiner mehr hören“.

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Liane Bach war Gast  in der Politik-Talk-Runde, bei der unter anderem Philipp Amthor (CDU) und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD)  über die Lehren aus der Bundestagswahl diskutierten. Zuvor hatte Moderator Louis Klamroth  einen  Einspielfilm präsentiert, bei dem auch weitere Dillstädter Bürger  zur Wort kamen. Tenor: Die  Unzufriedenheit ist so groß, dass man sie nicht nur deshalb ignorieren darf, weil sie sich in der Wahl einer rechtslastigen Partei  äußere.

Das Video ist in der ARD-Mediathek nachzuschauen, Dillstädt taucht ab Minute 32:00 auf.

Dillstädt im Kreis Schmalkalden-Meiningen ist ein Nachbarort Suhls. In der 750-Einwohner-Gemeinde hatten (ohne Berücksichtigung der Briefwähler) am Sonntag rund 54 Prozent ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Damit gehört Dillstädt zu den vielen Dutzend Südthüringer Dörfern mit ähnlichen oder noch höheren AfD-Resultaten. Thüringenweit hatte die Höcke-Partei 38,6 Prozent der Stimmen geholt, bundesweit 20,8 Prozent

Einst sei Dillstädt eine Hochburg der CDU gewesen, inzwischen sei die AfD schleichend erstarkt, sagte die parteilose und ehrenamtliche Bürgermeisterin, die im Hauptberuf in der Stadtverwaltung in Suhl arbeitet.  „Die Ostdeutschen haben zwei Gesellschaftsformen erlebt, sie spüren Kleinigkeiten“, sagte Liane Bach vor laufender Kamera.  „Man darf nichts mehr sagen“, behauptete sie. „Wer sich über die AfD unterhält oder so, ist sofort ein Nazi.“ Es sei „ganz schlimm, wie die Menschen da diffamiert werden“. Der Großteil der AfD-Sympathisanten in der Region sei nämlich gar nicht rechtsextrem.

Seit 30 Jahren ist Liane Bach Bürgermeisterin in dem Ort zwischen Suhl und Meiningen, zuletzt wurde sie mit 88,6 Prozent wiedergewählt. Die AfD sei zwar tatsächlich in vielen Bereichen rechtsextrem, sagt sie. Trotzdem dürfe man aber deren Millionen Wähler nicht „einfach wegstreichen“. Eine zukünftige Bundesregierung müsse die Befindlichkeiten der Deutschen ernster nehmen und Lösungen finden, wie die Bürger wieder zusammenfinden, so ihr Wunsch.

Von solchen Worten offensichtlich etwas überrascht, reagierten die  Politiker im Studio zurückhaltend auf die Äußerung  Bachs. CDU-Politiker Philipp Amthor zeigte Verständnis für die schlechte Stimmung in Dillstädt, verteidigte aber die Brandmauer zur AfD, die er ebenso wie  CDU-Chef Friedrich Merz außerhalb des demokratischen Spektrums verortet. Während man also mit Funktionären nicht kooperieren dürfe, brauche man  zu den Wählern der AfD  „keine Brandmauer, sondern einen Dialog“, sagte Amthor. „Wir wollen zeigen, dass wir verstanden haben und die Probleme lösen wollen.“

AfD-Wähler seien  „ganz normale Leute aus der Mitte der Gesellschaft,  die wollen in der Regel, dass Themen angesprochen werden,  sich Dinge politisch verändern“, erklärte der CDU-Abgeordnete aus  Vorpommern.  Die AfD-Parteifunktionäre jedoch seien  politische Gegner, „mit denen arbeiten wir nicht zusammen“. Diese AfD-Leute wollten das Gegenteil  einer liberalen, freiheitlichen Demokratie. Amthor: „Die mäßigen sich nicht, sondern radikalisieren sich immer weiter.“

Auch   der Grünen-Wahlkampfleiter Andreas Audretsch   verteidigte im Studio die Brandmauer und mahnte, zwischen Wählern und Politikern zu unterscheiden: „Um jeden Wähler zu kämpfen, halte ich für den richtigen Weg. Die Abgrenzung von Rechtsextremen sei aber wichtig: „Da darf man die AfD  nicht verharmlosen, die ist vom Verfassungsschutz in Teilen so eingestuft worden.“

Liane Bach. Foto: Screenshot

Rund 2,8 Millionen Fernsehzuschauer schalteten der ARD zufolge beim Live-Talk  im Ersten ein. Im Netz  war die Resonanz  auf  Bachs Worte groß,  AfD-Anhänger zitierten ihre Äußerungen als Beleg dafür, dass die Brandmauer  fallen müsse. „Lange Gesichter bei den Realitätsverweigerern“, kommentierte der Ex-AfD-Politiker Georg Pazderski auf „X“. „Sehr stabil, wie die Bürgermeisterin  hier  argumentiert, Klamroth kommt kaum aus dem Staunen raus“, ein anderer.

Auch der in Suhl geborene Regisseur und Schauspieler Immo Sennewald meldete sich im Netz zu Wort: „Mich als gebürtigen Thüringer hat die wohl bedachte Aussage der Dame aus Dillstädt besonders gefreut“, schrieb der 74-Jährige, der in Baden-Baden lebt,  auf „X“. Liane Bach wirke „wie ein Labsal gegenüber geltungssüchtigem Gekreisch und hohlen Phrasen von Politbürokraten“.

Neben zwei Dillstädterinnen hatte auch der Wirt des „Distelhofs“, Dirk Meyer, seine Botschaft an die Bundespolitik ins Mikrofon des „Hart aber fair“-Filmteams gesprochen: „Hört bitte die Menschen!“