Die Halbleiterindustrie steht auf der Liste der digitalen Produkte und Dienstleistungen, bei denen die deutsche Industrie insgesamt in einem gefährlichen Ausmaß von Lieferungen aus dem Ausland anhängig ist, allerdings nicht ganz oben. Der Digitalverband Bitkom hat dazu bei den Firmen in Deutschland nachgefragt. Die Unternehmer sehen die Abhängigkeit bei der IT- und Kommunikationshardware, dem 5G-Mobilfunk und der Künstlichen Intelligenz am stärksten.
Auch jenseits von möglichen Lieferengpässen bereitet diese generelle Abhängigkeit von Importen bei digitalen Technologien den Verantwortlichen in den Unternehmen Kopfschmerzen, denn die Digital-Importe sind existenziell wichtig für die deutsche Wirtschaft.
Die repräsentative Umfrage bei 1100 Unternehmen ergab, dass 94 Prozent von ihnen darauf angewiesen sind. "Eine große Mehrheit der Unternehmen in Deutschland hält sich für nur kurzzeitig überlebensfähig, wenn digitale Technologien beziehungsweise Dienstleistungen plötzlich nicht mehr aus dem Ausland bezogen werden könnten", sagte Berg.
Verschärft wird die Problematik dadurch, dass das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die USA, einen zentralen Player der internationalen IT-Branche, inzwischen vergleichsweise gering ausfällt. Nur noch 39 Prozent der deutschen Unternehmer haben ein "großes Vertrauen" in den Standort USA. Zwar werden die Standorte China (31 Prozent) und Russland (15 Prozent)noch skeptischer gesehen. Aber bei den EU-Ländern liegt der Vertrauenswert bei stolzen 89 Prozent, gefolgt von Japan (61 Prozent) und Großbritannien (59 Prozent).
Der Bitkom-Präsident forderte, die deutsche Wirtschaft müsse sich von ungesunden Abhängigkeiten lösen und mehr Eigenständigkeit entwickeln. "Es geht darum, künftig auf Augenhöhe digitale Schlüsseltechnologien, Geschäftsmodelle oder auch Ökosysteme mitzugestalten." Berg sprach sich dabei gegen Handelshemmnisse aus. Eine staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung sei aber wünschenswert. Dabei sollten vorhandene Kompetenzen gestärkt werden. "Wir sind beispielsweise sehr gut beim autonomen Fahren." Auch bei der IT-Sicherheit und der künstlichen Intelligenz sowie in der Medizin gebe es große Stärken.
Doch selbst wenn die Forderungen des Digitalverbandes zügig umgesetzt werden, würde sich an der Abhängigkeit von Digital-Technik aus dem Ausland kurzfristig kaum etwas ändern. Um etwa die gestiegene Nachfrage an Halbleitern zu befriedigen, müssen neue Kapazitäten aufgebaut werden - und das dauert.
Außerdem stehen gerade die Automobilhersteller vor der Herausforderung, von der Chipbranche überhaupt als relevanter Abnehmer wahrgenommen zu werden, für die es sich lohnt, neue Kapazitäten auszubauen. So verbraucht allein der iPhone-Hersteller Apple ungefähr so viele Mikroprozessoren wie die gesamte Autoindustrie. Auf der Liste der Top-Chipeinkäufer weltweit des Marktforschers Gartner stehen nur Unternehmen aus den USA, Südkorea und China.
© dpa-infocom, dpa:210218-99-496978/5