Die SPD und der Drohnen-Streit Warum die SPD unter Mützenich außenpolitisch nach links rückt

Jan Dörner

Unter Rolf Mützenich ist die SPD in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht nur in der Drohnen-Frage nach links gerückt, finden Beobachter. Bereitet sich die Partei auf ein Linksbündnis nach der Bundestagswahl vor?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Rolf Mützenich drückt der SPD-Fraktion im Bundestag seinen Stempel auf. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Berlin - Ein Moment aus einer anderen Zeit: Es ist heiß, mehrere hundert Menschen stehen dicht an dicht auf einem Schiff, das über den Berliner Wannsee schippert. Rolf Mützenich ist kurz zuvor zum Interimsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt worden. Der Kölner wirkt noch etwas überwältigt von seiner Beförderung, als er an diesem Abend auf der traditionellen Spargelfahrt des Seeheimer Kreises, den Konservativen in der Fraktion, das Wort ergreift. Mützenich gilt als freundlicher Außenpolitikexperte, größere Ambitionen werden ihm Anfang Juni 2019 nicht nachgesagt.

Nach der Werbung weiterlesen

Keine Übergangslösung mehr

Anderthalb Jahre später hat sich die Wahrnehmung des 61-Jährigen geändert. Mützenich ist inzwischen keine Übergangslösung mehr als Chef der sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten, inhaltlich und personell hat er der Fraktion seinen Stempel aufgedrückt. „Seitdem Mützenich Fraktionsvorsitzender ist, ist die SPD schrittweise von einer realistischen Sicherheitspolitik auf die Linie einer idealistischen Sicherheitspolitik gerückt“, sagt Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München.

Als Beispiele nennt Masala Mützenichs Forderung nach einem Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland und seinen Widerstand gegen die Pläne von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), einen Teil der in die Jahre gekommenen Tornados der Bundeswehr durch Kampfflugzeuge des US-Herstellers Boeing ersetzen. Diese könnten im Ernstfall die hierzulande stationierten US-Atombomben abwerfen. Aktuellster Beleg für den Kurswechsel der SPD ist aus Masalas Sicht die derzeitige Weigerung, die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen auszurüsten.

Felgentreu schmeißt hin

Nach intensiver Debatte hinter verschlossenen Türen entschied die Fraktion am Dienstag, der Beschaffung vorerst nicht zuzustimmen, obwohl die SPD-Verteidigungspolitiker und auch die sozialdemokratische Wehrbeauftragte Eva Högl sich dafür ausgesprochen hatten. Die Mehrheit der SPD-Abgeordneten will weiter über das Thema diskutieren, die vereinbarte breite gesellschaftliche Debatte habe es noch nicht gegeben. CDU und CSU warfen dem Koalitionspartner daraufhin Wortbruch gegenüber den Soldaten im Einsatz vor.

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, legte als Reaktion auf die Entscheidung seinen Posten nieder. Der Berliner ist nicht der einzige Vertreter des in Sicherheitsfragen pragmatischen Teils der SPD, der unter Mützenich aus dem Amt schied. Zuvor musste bereits der über Parteigrenzen hinweg angesehene Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels seinen Posten räumen. Sein Nachfolger wäre gerne der Haushalts- und Verteidigungsexperte Johannes Kahrs geworden, doch Mützenich zog Högl vor. Der Seeheimer-Chef Johannes Kahrs legte daraufhin sein Bundestagsmandat nieder.

„Mützenich ist sich treu geblieben“

Für den Sicherheitspolitik-Experten Masala ist die Linie der SPD-Fraktion unter ihrem Chef Mützenich keine Überraschung: „Rolf Mützenich steht in der Tradition seines eigenen Denkens seit er studiert hat und seit er Politik macht.“ Schon in seiner Doktorarbeit habe sich der Sozialdemokrat unter dem Titel „Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik“ mit dem Thema Abrüstung befasst. „Mützenich ist sich also treu geblieben“, analysiert der Professor. „Er hat es halt nur geschafft, die SPD-Bundestagsfraktion in diesen Fragen hinter sich zu versammeln.“ Für Masala steht fest: „In allen Fragen harter militärischer Sicherheitspolitik ist von der SPD in dieser Legislatur nicht mehr viel zu erwarten.“

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, widerspricht der These eines Kurswechsels unter Mützenich. „Immer wenn es darum geht, etwa in Afghanistan, in der Sahel-Region oder im Kampf gegen den IS, Verantwortung zu übernehmen, stehen wir auch hinter schwierigen militärischen Operationen“, sagt Schmid. Auch der Verteidigungsetat steige mit Zustimmung seiner Partei weiter. „Man kann der SPD also keinen Vorwurf machen.“

Signal für Rot-Rot-Grün?

Unionspolitiker vermuten, Mützenich und die SPD-Spitze wollten mit Entscheidungen wie der Drohnen-Blockade ein Regierungsbündnis mit Grünen und Linkspartei nach der Bundestagswahl 2021 vorbereiten. „Es ist nichts Neues, dass Mützenich auf dem Feld der Außen- und Verteidigungspolitik eine Reihe von Positionen hat, die wir teilen“, sagt etwa der Linken-Verteidigungsexperte Tobias Pflüger aus Freiburg. „Aber dies als Signal in Richtung Rot-Rot-Grün zu sehen, ist überbewertet.“