Diana-Interview mit Martin Bashir Warum der BBC-Skandal eine solche Sprengkraft hat

Theresa Schäfer

Es bestimmt bis heute das Bild, das wir von Prinzessin Diana haben: Das BBC-Interview von 1995. Doch der Fernsehjournalist Martin Bashir erschlich es sich mit Täuschung und Fälschungen. Führte das Interview schließlich zu Dianas tragischem Tod?

 
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London - Als die BBC am 20. November 1995 Prinzessin Dianas Interview mit dem „Panorama“-Journalisten Martin Bashir ausstrahlte, waren die Briten schockiert. Nicht minder schockiert ist die Öffentlichkeit jetzt, zu erfahren, dass die Prinzessin von Wales mit mehr als unlauteren Mitteln zu diesem Interview gebracht wurde. Die öffentlich-rechtliche BBC, Mutter der journalistischen Integrität, steht plötzlich in einem alles andere als schmeichelhaften Licht da.

Was wird Martin Bashir vorgeworfen?

Der vergangene Woche veröffentlichte Bericht des früheren Richters am Obersten Gerichtshof, Lord John Dyson, hatte ergeben, dass der BBC-Journalist Bashir gefälschte Dokumente gebraucht hatte, um Zugang zu Prinzessin Diana zu erhalten. Bashir hatte Dianas Bruder Charles Spencer gefälschte Kontoauszüge vorgelegt, die beweisen sollten, dass Diana von Menschen in ihrem engsten Umfeld, zum Beispiel aus ihrem Sicherheitsdienst, bespitzelt wird. Spencer arrangierte daraufhin ein Treffen zwischen dem Journalisten und Diana.

Später hatte die BBC das Fehlverhalten ihres Topjournalisten vertuscht. 1996 gab es eine interne BBC-Untersuchung, die Bashir einen Persilschein erteilte. Der Dyson-Bericht kam jetzt zu dem Ergebnis, dass diese Untersuchung „fehlerhaft und beklagenswert ineffektiv“ gewesen sei. Doch damit nicht genug: Bashir wurde 2016 erneut von der BBC angestellt – obwohl es da längst Zweifel an seiner Integrität gab.

Der Fernsehjournalist hat seinen Fehler inzwischen eingestanden – zumindest teilweise: „Es war eine Dummheit, das zu tun, und es ist eine Tat, die ich zutiefst bedauere.“. Der „Sunday Times“ sagte Martin Bashir: „Ich wollte Diana niemals in irgendeiner Weise Schaden zufügen und ich glaube nicht, dass wir das getan haben.“ Alles im Rahmen des Gesprächs sei so abgelaufen wie von ihr gewünscht. Die Prinzessin sei nie unglücklich mit dem Inhalt gewesen, sie seien auch nach der Ausstrahlung befreundet geblieben. Nun befürchte Bashir, dass der Skandal den eigentlichen Inhalt des Interviews überschatten werde. „Eines der traurigsten Dinge bei all dem ist die Art und Weise gewesen, wie der Inhalt dessen, was sie gesagt hat, beinahe ignoriert worden ist.“

Welche Aussagen machte Prinzessin Diana in dem Interview?

Das Interview von 1995 hatte gewaltige Sprengkraft. Was Diana drei Jahre nach der Trennung vom britischen Thronfolger Prinz Charles zu Protokoll gab, war für viele kaum zu fassen. Die Prinzessin von Wales ließ keinen Abgrund links liegen. Ihre Bulimie: „Man füllt sich vier, fünf Mal am Tag den Magen voll. Das gibt einem Trost – aber nur für den Moment. Dann ekelt man sich vor sich selbst und übergibt sich. Ein sehr zerstörerisches Muster. Es war ein Symptom meiner unglücklichen Ehe, ein Hilfeschrei.“ Über die Strippenzieher im Palast: „Sie sehen mich als Bedrohung.“

Und natürlich ihre unglückliche Ehe mit Prinz Charles. Aus dem Bashir-Interview stammt der legendäre Satz über Charles Affäre mit Camilla Parker-Bowles: „Nun, wir waren zu dritt in dieser Ehe – deshalb war es ein bisschen überfüllt.“

Besonders hart dürfte ihren Noch-Ehemann getroffen haben, dass Diana dem Prinzen von Wales die Eignung für den Thron absprach: „Es ist eine sehr anspruchsvolle Rolle, Prince of Wales zu sein, aber es ist noch viel anspruchsvoller, König zu sein.“ Da sie Charles kenne, sei sie sich nicht sicher, ob er dem „Top-Job“ gewachsen sei.

Hätte Prinzessin Diana überhaupt ein großes TV-Interview gegeben?

Das ist die große Frage, die sich jetzt alle stellen. Prinzessin Diana hatte viele Angebote für ein „Tell all“-Interview. Sogar Oprah Winfrey hatte angeklopft – doch die Prinzessin von Wales hatte allen eine Absage erteilt. Ob auch Martin Bashir in die Röhre gesehen hätte, wenn er nicht zu gefälschten Dokumenten gegriffen hätte? Das ist heute schwer zu sagen. Der TV-Journalist betont, Diana habe das Interview später nicht bereut.

Im Sommer 1994 hatte Prinz Charles seine Sicht über den Stand ihrer Ehe bereits im Fernsehen ausgebreitet: Erstmals sprach er damals auch öffentlich über seine Affäre mit Camilla Parker-Bowles. Damals soll in Diana die Überzeugung gewachsen sein, dass auch sie vor die Kamera gehen sollte.

Hat sich Dianas und Charles’ Verhältnis durch das Bashir-Interview verschlechtert?

Zumindest Prinz William ist davon überzeugt. Das Interview habe einen „wesentlichen Beitrag“ geleistet, dass sich die Beziehung seiner Eltern verschlechtert habe, sagte William in einer Videobotschaft. „Es ist meine Sicht, dass die betrügerische Weise, in der das Interview zustande kam, substanziell beeinflusst hat, was meine Mutter sagte“, so der 38-Jährige weiter. Das Vorgehen der BBC habe erheblich zu ihrer Angst, Paranoia und Isolierung beigetragen.

Hat das BBC-Interview etwas mit Dianas Tod zu tun?

Zumindest Dianas Bruder Charles Spencer zieht eine direkte Verbindung zwischen dem Interview und Dianas Tod zwei Jahre später bei einem Verkehrsunfall in Paris. „Sie wusste nicht, wem sie vertrauen kann. Als sie zwei Jahre später starb, hatte sie praktisch keinen wirklichen Personenschutz mehr.“ Ihr früherer Butler Paul Burrell widerspricht dieser Darstellung: Diana habe schon zwei Jahre vor dem Bashir-Interview auf die offizielle Security des Palasts verzichtet. Diana starb 1997 bei einem Autounfall auf der Flucht vor Paparazzi mit ihrem damaligen Freund Dodi Al Fayed in Paris. Offizielle Security hatte sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Wie reagierten Dianas Söhne Prinz William und Prinz Harry?

Beide Prinzen reagierten verletzt und traurig auf die Enthüllungen des Dyson-Berichts. Prinz William äußerte sich in einer Videobotschaft zu dem Bashir-Interview. Darin erhob er schwere Vorwürfe gegen die damalige Führungsebene der BBC, die weggeschaut habe, statt harte Fragen zu stellen. Was ihn am meisten traurig mache, sei dass die bereits 1995 aufgekommenen Bedenken und Beschwerden nicht ordentlich untersucht worden seien. „Meine Mutter hätte erkannt, dass sie betrogen wurde.“ Das Interview solle nie wieder ausgestrahlt werden, forderte William. „Es hat ein falsches Narrativ etabliert, das über ein Vierteljahrhundert lang von der BBC und anderen kommerzialisiert wurde.“

Prinz Harry fand noch deutlichere Worte: „Der Welleneffekt einer Kultur der Ausbeutung und der unethischen Praktiken hat sie letztendlich das Leben gekostet.“ Der Herzog von Sussex zog in seinem Statement Parallelen zu der Situation seiner Familie heute: „Was mich zutiefst besorgt, ist dass Praktiken wie diese - und sogar schlimmere - noch immer weit verbreitet sind.“ Seit dem Tod seiner Mutter habe sich nichts geändert. Harry und seine Frau Meghan machen unter anderem die Berichterstattung des britischen Boulevard dafür verantwortlich, dass sie sich 2020 aus der ersten Reihe der Royals zurückzogen.

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