Diabetesmedikament Eine Spritze zum Abnehmen

Anja La Roche
Wer Diabetes hat, sollte so wenig Übergewicht wie möglich haben. Doch nicht bei allen gelingt das Abnehmen allein mit Bewegung. Hier können neue Medikamente helfen. Foto: dpa/Sina Schuldt

Diabetesmedikamente, die beim Abnehmen helfen, sind sehr gefragt: Zwischenzeitlich kam es sogar zu Lieferengpässen in Deutschland. Doch sind die Präparate auch bei der Bekämpfung der Volkskrankheit Adipositas zu empfehlen? Das sagen Fachärzte.

 
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Eine Spritze als Wundermittel gegen Fett? Der Wunsch vieler Menschen könnte nun in Erfüllung gehen. Weil der Zusammenhang von Adipositas und Typ-2-Diabetes in den vergangenen Jahren besser verstanden wurde, sind neue Präparate entwickelt worden. Diese Diabetesmedikamente stabilisieren bei Betroffenen nicht nur den Stoffwechsel, sondern helfen auch beim Abnehmen. Von diesem Nebeneffekt könnten auch Adipositas-Patienten profitieren. Welche Vor- und Nachteile eine solche Therapie haben kann, erklären Experten der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Wie helfen die Medikamente beim Abnehmen?

In den neuen Arzneimitteln sind Substanzen enthalten, die die Wirkung von Hormonen des Darms nachahmen. Diese verlangsamen unter anderem die Magenentleerung und mindern den Appetit. Zunächst ist der Effekt bei dem Wirkstoff Semaglutid aufgefallen, welcher ein einziges Hormon namens GLP-1 nachahmt. Ein weiterer Wirkstoff namens Tirzepatid hingegen kombiniert die Wirkung von zwei Hormonen und ist daher potenter.

Bei einer Studie mit Semaglutid verloren die Teilnehmer durchschnittlich 15 Prozent ihres Körpergewichts. In der Vergleichsgruppe, die ein Placebo eingenommen hat, waren es zwei Prozent. Die Teilnehmer hatten einen BMI von 30 oder einen BMI ab 27 sowie ein gewichtsbedingtes Gesundheitsproblem. In einer Studie mit Tirzepatid konnten die Teilnehmer ihr Gewicht um 20 Prozent verringern, in der Placebo-Gruppe waren es drei Prozent. Alle Teilnehmer hatten einen mittleren BMI von etwa 38. Das entspricht bei einem erwachsenen, etwa 1,80 Meter großen Mann einem Körpergewicht von 123 Kilo.

Warum sind die Medikamente für Typ-II-Diabetes-Patienten sinnvoll?

Um die Symptome der Krankheit Typ-2-Diabetes abzuschwächen, ist unter anderem eine Gewichtsreduktion nötig. Vielen Patienten reicht eine Umstellung der Ernährung und vermehrte Bewegung aber nicht aus, um die erwünschten Diätziele zu erreichen. Die Arzneimittel können beim Abnehmen unterstützen – ohne dass chirurgische Eingriffe wie Magenverkleinerungen durchgeführt werden müssen.

Des Weiteren wirken die neuen Medikamente stabilisierend auf den Stoffwechsel der Diabetiker, erklärt Baptist Gallwitz, Vorstandsvorsitzender der DDG. „Eine Therapie mit Insulin hingegen habe den Nachteil, dass es zu Unterzuckerung kommen kann.“ „Zudem müssten die neuen Präparate nur einmal die Woche gespritzt werden und weisen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil auf“, ergänzt Ralf Lobmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Diabetologie Baden-Württemberg.

Welche Medikamente sind in Deutschland bereits zugelassen?

Wegovy hat die Europäische Arzneimittelagentur bereits im Januar 2022 für adipöse Menschen zugelassen. Es beinhaltet den Wirkstoff Semaglutid in höherer Dosierung. Der dänische Hersteller kann allerdings aufgrund der hohen Nachfrage den deutschen Markt noch nicht bedienen. Das Medikament Ozempic (ebenfalls Semaglutid) vom gleichen Hersteller, ist in der EU seit 2018 zugelassen, allerdings nur für Diabetespatienten.

Seit September 2022 ist das erste Tirzepatid-Medikament für Diabetiker in der EU zugelassen. Der US-Hersteller verkauft es unter dem Name Mounjaro. Doch nach Aussagen des Diabetes-Experten Gallwitz wird auch dieses Arzneimittel aufgrund der hohen Nachfrage noch nicht nach Deutschland geliefert. Für Adipositaspatienten steht die Zulassung noch aus, so der stellvertretende Ärztliche Direktor der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie am Uniklinikum Tübingen.

Werden die Medikamente künftig flächendeckend zu Behandlung von Adipositas eingesetzt?

Erst 2020 hat der Bundestag Adipositas als Krankheit anerkannt. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll noch in diesem Jahr ein entsprechendes Krankheits-Management-Programm entwickeln. Hierbei könnten auch medikamentöse Behandlungen eine Rolle spielen. Der Diabetologe Ralf Lobmann bleibt dennoch skeptisch. „Ich sehe nicht, dass die Kassen die Medikamente grundsätzlich übernehmen werden“, sagt der Ärztliche Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie am Klinikum Stuttgart. Das würde das Gesundheitssystem mit zu hohen Kosten belasten.

Wie kam es zu Lieferengpässen?

Seit November 2022 ist ein zunehmender Hype um die Medikamente entstanden. Als „Hollywood-Spritze“ ist besonders das Medikament Ozempic bekannt geworden. Prominente Persönlichkeiten teilten ihre Diäterfolge in den Sozialen Medien. Daraufhin stieg die Nachfrage enorm und in Deutschland kam es zwischenzeitlich zu Lieferengpässen.

Dass sich auch nicht-adipöse Menschen die Medikamente spritzen – ohne sich einer ärztlichen Kontrolle zu unterziehen, sieht Gallwitz kritisch: „Abnehmen ist eine Sache, die einer umfassenden Therapie bedarf.“ Sein Kollege Lobmann teilt die Bedenken: „Man darf nicht unterschätzen, dass die Medikamente auch unerwünschte Nebenwirkungen haben können.“ Zum Beispiel ein erhöhtes Risiko einer Bauchspeicheldrüsen-Entzündung.

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