Auch die vorgesehene Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes wird die Wirtschaft freuen, weil dadurch zum Beispiel Berichtspflichten entfallen.
Rente
Union und SPD wollen das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 gesetzlich festschreiben. Ohne gesetzliche Eingriffe würde es in den kommenden Jahren sinken, weil wegen der Alterung der Gesellschaft auf immer weniger Einzahlende immer mehr Rentenempfängerinnen und -empfänger kommen. Die Milliardenkosten, die sich durch eine Fixierung des Rentenniveaus ergeben, wollen CDU/CSU und SPD aus Steuermitteln ausgleichen.
2026 soll eine "Frühstart-Rente" eingeführt werden. Für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, sollen pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot fließen.
Am Rentenalter soll sich nichts ändern – die Altersgrenze soll weiterhin schrittweise auf 67 Jahre ansteigen. Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren soll auch künftig möglich bleiben.
Familie
Künftige Eltern sollen ein höheres Elterngeld erhalten - der Mindestsatz von derzeit 300 Euro und der Höchstsatz von 1.800 Euro sollen angehoben werden. Union und SPD wollen zudem für selbstständige Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, einen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutz schaffen. Vorgesehen ist auch, dass der Bund massiv in Kitas investieren soll.
Soziale Sicherung
Das bisherige Bürgergeld soll nach dem Willen der künftigen Koalitionspartner zu einer neuen Grundsicherung für Erwerbssuchende umgestaltet werden. Vermittlung in Arbeit soll bei arbeitsfähigen Menschen Vorrang haben. Vorgesehen ist dazu die Beseitigung von Vermittlungshürden. Mitwirkungspflichten und Sanktionen sollen im Sinne des Prinzips "Fördern und Fordern" verschärft werden.
Schneller als heute soll es Sanktionen geben. Leistungen können vollständig entzogen werden, wenn Menschen, die arbeiten können, wiederholt zumutbare Arbeit verweigern. Geltende Schonzeiten für Vermögen sollen abgeschafft werden, die Höhe des Schonvermögens soll an die Lebensleistung gekoppelt werden. Bei der Fortschreibung der Regelsätze wollen Union und SPD künftig die Preis- und Lohnentwicklung nicht so schnell wie bisher berücksichtigen.
Migration
Vereinbart wurde, in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vorzunehmen. Das Asylrecht soll aber erhalten bleiben.
Die von der Ampel-Regierung beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders gut integrierte Zuwanderer wird wieder abgeschafft. Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen zwei Jahre lang Angehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen.
Innere Sicherheit
Zur Erhöhung der inneren Sicherheit wollen Union und SPD die Telekommunikationsanbieter künftig dazu verpflichten, IP-Adressen für mögliche Ermittlungen drei Monate lang zu speichern.
Im Rahmen ihrer begrenzten Zuständigkeit soll die Bundespolizei zur Bekämpfung schwerer Straftaten die sogenannte Quellen-TKÜ anwenden dürfen. Dabei wird verschlüsselte Kommunikation direkt am Endgerät überwacht.
Äußere Sicherheit
Union und SPD wollen die Verteidigungsausgaben bis zum Ende der Wahlperiode deutlich steigern. Sie wollen den Weg zur Einführung moderner Militärtechnik freimachen und auch Deutschlands Verteidigungsfähigkeit im Weltraum ausbauen. Vereinbart wurde zudem, ein "auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell" für die Bundeswehr zu schaffen.
Vorgesehen ist auch, die Gründung eines Nationalen Sicherheitsrats, der Informationen über Krisenlagen bündeln und schnellere Entscheidungen ermöglichen soll.
Verteilung der Ministerien
Die CDU wird in der neuen Bundesregierung sechs Ressorts besetzen. Dazu kommt der Chef des Kanzleramts, der ebenfalls Ministerrang haben wird. Die SPD stellt die Leitung in sieben und die CSU in drei Ressorts. Erstmals seit fast 60 Jahren wird die CDU wieder das Außenministerium übernehmen. Auch das neue Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung geht an die CDU. Mit Verteidigung, Finanzen sowie Umwelt und Klimaschutz erhält die SPD wichtige Schlüsselressorts.
Parteien mussten Abstriche machen
Alle drei Parteien mussten in den Verhandlungen Abstriche bei ihren Positionen machen. Beispiel CSU: Im Wahlkampf hatte Söder viele klare Forderungen gestellt – und eine rote Linie bei der Migration gezogen. Nun zeigt sich: Nicht überall konnten die Christsozialen ihre Wünsche durchsetzen. Gut ankommen dürfte in der CSU die Erhöhung der Pendlerpauschale, die finale Stufe der Mütterrente, das Ende des Heizgesetzes, die Steuersenkungen, gerade auch im Bereich Gastronomie.
Dafür musste die CSU aber etwa ihre Forderung nach einer Rückkehr zur Kernenergie ebenso beerdigen wie eine grundlegende Reform des Grundrechts auf Asyl und eine andere Erbschaftsteuer. In einigen Punkten, etwa bei Zurückweisungen an den Grenzen oder bei der Reform des Finanzausgleichs muss die abschließende Umsetzung abgewartet werden, genau wie bei der nicht durchgesetzten Abschaffung des Cannabis-Gesetzes.
Opposition kritisiert Koalitionsvertrag scharf
Die Oppositionsparteien zerrissen die Vereinbarung von Union und SPD. Von einer "Kapitulationsurkunde von Friedrich Merz", sprach AfD-Chefin Alice Weidel. "Das Papier trägt durchgehend die Handschrift des Wahlverlierers SPD, gespickt mit Verbeugungen und Kotaus vor den Grünen." Ähnlich scharf fiel die Kritik der Linken aus. "Komplett mutlos, fantasielos und ohne sozialen Kompass präsentiert sich hier diese Koalition der Ignoranz und der Hoffnungslosigkeit", sagte Parteichefin Ines Schwerdtner.
Grünen-Chef Felix Banaszak erklärte, auf keine der aktuellen Krisen hätten die möglichen Koalitionäre "auch nur den Hauch einer Antwort". BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht monierte ebenfalls: "Der Koalitionsvertrag gibt keine Antwort auf Wirtschaftskrise und Handelskrieg." Für den FDP-Politiker Christian Dürr steht fest: "Deutschland wird zukünftig von Mutlosigkeit regiert."
Fünftes schwarz-rotes Bündnis seit 1949
Die neue Koalition ist das fünfte schwarz-rote Regierungsbündnis seit der Gründung der Bundesrepublik. Erstmals kam es von 1966 bis 1969 unter CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger zu einer solchen Konstellation. Nach den Bundestagswahlen 2005, 2013 und 2017 führte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) jeweils eine schwarz-rote Koalition.
Die früher übliche Bezeichnung "große Koalition" passt inzwischen nicht mehr. Bei der Bundestagswahl am 23. Februar war die AfD (20,8 Prozent) hinter der Union (28,5 Prozent) die zweitstärkste Kraft geworden. Die SPD lag mit 16,4 Prozent nur auf Platz drei.
Regierungsbildung erst im Mai
CDU-Chef Merz hatte ursprünglich als Ziel eine Regierungsbildung bis Ostern ausgegeben. Dieser Zeitplan ist aber nicht mehr zu halten. Nun nannte er die erste Mai-Woche. Als Datum für die Kanzlerwahl ist der 7. Mai im Gespräch.
Davor wollen alle drei Parteien ihre Vereinbarung noch innerparteilich absegnen lassen. Die SPD wird dazu eine Mitgliederbefragung vornehmen. Die CDU plant einen Kleinen Parteitag am 28. April. Bei der CSU ist nur ein Vorstandsbeschluss vorgesehen.