Grund ist der Anpassungsmechanismus. In zwei Schritten wird die Inflation erst der Vorjahre und dann des jüngsten erfassten Quartals in die neuen Regelsätze einberechnet. Der Arbeitsmarktforscher Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sagte der dpa: "Dies beruht allein auf der Anwendung der geltenden Regeln für die Anpassung und ist kein Resultat aktueller politischer Entscheidungen."
Perspektiven fürs Bürgergeld
Die CDU will im Fall eines Wahlsiegs die Bürgergeld-Regeln deutlich verschärfen. So peilt Generalsekretär Carsten Linnemann laut einem Interview vom Sommer größere Leistungskürzungen für Arbeits- und Terminverweigerer an als geltende 30 Prozent maximal. Linnemann: "Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden." Auch die FDP will weitere Arbeitsanreize und konsequentere Sanktionen bei Arbeitsverweigerung, sagt Djir-Sarai.
Reform könnte Hin und Her vermeiden
IAB-Arbeitsmarktforscher Weber schlägt eine möglicherweise entscheidende Regeländerung vor. In nur einem Schritt könnte künftig die aktuelle Inflation in die Bürgergeldberechnung eingehen - so eine Anpassung proportional und zeitnah zur Inflationsentwicklung würde Betroffenen und Politikern das Hin und Her zwischen starker Erhöhung und mageren Jahren ersparen. In Anspielung auf die jüngsten Debatten über das Bürgergeld sagte Weber der dpa: "Proportional und zeitnah würde dazu führen, dass solche Diskussionen über den Regelsatz erst gar nicht mehr entstehen."
Unter den Betroffenen viele Kinder und Kranke
Betroffen sind laut Heil 5,4 Millionen Menschen, wie im "Frühstart" von RTL und ntv sagte. Darunter seien viele Kinder oder Kranke, die nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. 20 Prozent bräuchten trotz Arbeit aufstockende Leistungen. 1,7 Millionen Menschen müssten in Arbeit gebracht werden, zwei Drittel davon seien Langzeitarbeitslose ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Auch viele Ukrainerinnen und Ukrainer müssten trotz Erfolgen noch in Arbeit gebracht werden.
Heil bekräftigte, dass die Ampel bei den Sanktionen nachschärfen wolle. So werde künftig scharf sanktioniert, wer trotz Stütze schwarz arbeite. "Es ist ein lernendes System." Die Weiterentwicklung dürften nicht ideologisch diskutiert werden. Wie es in der Regierung hieß, könnten die geplanten Bürgergeld-Änderungen im Oktober ins Kabinett kommen, auch mehr Arbeitsanreize für Geflüchtete.
74 Euro fehlen für Strom
Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte die geplante Nullrunde. Solange Mieten häufig kaum bezahlbar seien und der Mindestlohn nur um wenige Cent erhöht werde, brauche es neben mehr Tarifbindung, einem höheren Mindestlohn und einer Mietenbegrenzung auch ein Bürgergeld, das wirklich das Existenzminimum sichere, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel bei RTL/ntv. Arbeitsmarktforscher Schäfer vom arbeitgebernahen IW wies darauf hin, dass das Bürgergeld nach dem geltenden Anpassungsmechanismus möglicherweise sogar sinken würde. "Dies ist derzeit aber gesetzlich ausgeschlossen." Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox bleibt mit der Nullrunde etwa der Anteil für Strom zu gering. Der Fehlbetrag für einen Alleinlebenden: 74 Euro pro Jahr.