Dem Vergessen entrissen Dem Vergessen entrissen

Berit Richter
Die Musikschülerinnen Liv-Berit Heinz und Lena Podlesak (von links) eröffnen die Ausstellung Foto: Berit Richter

Zwei Wochen lang macht die Ausstellung „#StolenMemory“ der Arolsen Archives auf dem Arnstädter Marktplatz Station.

 
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Arnstadt - „Jetzt wissen wir, dass er Abschied von uns genommen hat“, sagt Joop Will und hält einen Brief in die Kamera. 70 Jahre nach dem Tod seines Vaters Peter, der im niederländischen Widerstand gegen die deutschen Faschisten kämpfte, bis er 1943 verhaftet wurde und schließlich auf dem Transport in ein Konzentrationslager starb. „Wenn man so etwas bekommt, dann muss man wieder denken an die Schrecklichkeit von Krieg. Wir müssen dafür sorgen, dass es niemals wieder passiert.“

Dass Joop Will die letzte Erinnerung an seinen Vater erhalten hat, ist den Arolsen Archives zu verdanken, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, solche Erinnerungsstücke an die Hinterbliebenen der NS-Opfer zurückzugeben.

Solche „Stolen Memory“, gestohlene Erinnerungen, stehen im Mittelpunkt der Ausstellung, die am Freitag auf dem Arnstädter Marktplatz eröffnet wurde. Bis zum 6. Oktober haben die Arolsen Archives ihren Überseecontainer mitten im Herzen der Stadt aufgestellt, wollen auf ihre Arbeit aufmerksam machen und exemplarisch einige Schicksale von Opfern vorstellen. Menschen wie Peter Will, dessen Effekte an die Angehörigen übergeben werden konnten, aber auch solche, bei denen noch Nachfahren gesucht werden.

Bewusst ist der Container bunt gehalten. „Wir wollen auffallen“, sagt Ramona Bräu von Arolsen Archives. Die Menschen sollen neugierig werden, vorbeischauen, sich Zeit nehmen zu lesen und vielleicht ja sogar mithelfen bei der detektivischen Suche. Bei der Eröffnung am Freitag klappt das schon recht gut. Schnell bleiben die Ersten stehen, schauen sich die Tafeln an. „Mein Wunsch ist, dass viele kommen“, vor allem auch viele Schulen, sagt Jörg Kaps. Arnstadts Beauftragtem fürs jüdische Erbe ist es zu verdanken, dass der Container nach Arnstadt kam – nur einer von drei Thüringer Ausstellungsorten neben Jena und Kahla. Wer ein Smartphone dabei hat, kann sich eine App herunterladen und das Gelesene mit Videos, wie dem von Joop Will, vertiefen.

„Jeder möge sich überlegen, was er bei sich trägt, was er für Effekte hätte, die man ihm wegnehmen würde, wenn er verhaftet würde“, sagt Ramona Bräu. Eine Taschenuhr vom Großvater geerbt, ein Bild der Liebsten oder ein Schmuckstück, das schon lange in Familienbesitz ist vielleicht. Dinge, die einem etwas bedeuten, die etwas über einen selbst aussagen. Tausende solcher Effekte befinden sich in den Archiven, etliche warten noch darauf, den Angehörigen oder – in immer seltener werdenden Fällen – den Opfern selbst zurückgegeben werden zu können. Vielleicht, so die Hoffnung, finden sich, wie in anderen Bundesländern, ja auch im Ilm-Kreis Schulen, die bei der Detektivarbeit helfen.

Darüber, dass es der heutigen Generation eine Verpflichtung ist, das Gedenken wach zu halten, zu erinnern und zu mahnen, dass nie wieder solche schreckliche Gräueltaten passieren, zeigen sich auch Landrätin Petra Enders und Bürgermeister Frank Spilling in ihren Grußworten mit Joop Will einig.

Die Ausstellung „#StolenMemory“ ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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