Biermann ist kein Pazifist. Früher hat er den Kampf der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg besungen. Würde er sich heute einer internationalen Brigade in der Ukraine anschließen? "Natürlich würde ich das", sagt er. Schließlich sei sein kommunistisch-jüdischer Vater indirekt im Spanischen Bürgerkrieg gefallen. Als Arbeiter im Hamburger Hafen habe er die Verladung von Rüstungsgütern sabotiert und sei dafür in den Tod gegangen.
"Dem fetten Bürgerschwein auf die Pfoten haun"
Lange Zeit hat sich Biermann als der wahre Kommunist verstanden. "So oder so, die Erde wird rot", sang Biermann vor 48 Jahren in Köln. Jetzt intoniert die in der DDR geborene Annett Louisan mit zarter Stimme und ohne jede Agitprop-Allüre das Lied "So soll es sein - so wird es sein", in dem es heißt: "Dem Bourgeois auf die Finger schaun, das genügt nicht! Auf die Pfoten haun wolln wir das fette Bürgerschwein."
Biermann urteilt über seine damaligen Zeilen hart: "Das ist eine schlechte, altmodische Metapher, die außerdem unrealistisch ist, denn die wirklich reichen Leute können Sie daran erkennen, dass sie sportlich und mager sind, und die wirklich armen Leute, dass sie verfettet sind. Auch daran sehen Sie, was für ein dummer Vers das ist."
Sosehr er sich in seinen Ansichten geändert hat, so treu bleibt er sich als Künstler. Unterlegt von harten Beats erklärt er auf dem Zusatz-Album die Entstehungsgeschichte des Liedes "Ermutigung". In einer anderen Variation greift er selbst wieder zur Gitarre und singt, summt und brummt dazu, so wie seine Fans es seit Jahrzehnten lieben. Zum Schluss hält er den Ton eine Dreiviertelminute.
Zwei Tage vor seinem 88. Geburtstag, am 13. November, wird er im Hamburger Thalia-Theater wieder auf der Bühne stehen, zusammen mit zahlreichen Interpreten des Coveralbums. Dann wird sich zeigen, ob seine künstlerischen Erben einen ebenso langen Atem haben.