Dampflokfahrt 101-Jährige schnauft über den Rennsteig

Was haben Dampfloks an sich, dass ihr hunderte begeisterte Fans folgen, wenn ihr lautes Pfeifen erklingt? Pfingstsonntag pendelte die 94 15 38 mit drei Wagen über den Rennsteig.

 
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Sie dampft, schnaubt, stampft, ruckelt und zuckelt – die Dampflok 94 15 38 war Pfingstsonntag auf dem Rennsteig unterwegs. Die Mitglieder vom Verein Dampfbahnfreunde mittlerer Rennsteig haben sie nach vierjähriger Pause für die Öffentlichkeit wieder auf die Strecke gebracht. 101 Jahre alt ist sie inzwischen, die alte Dame, die noch vor wenigen Wochen für eine Privatfahrt gechartert worden war. Von der Tour kam sie ohne Makel zurück.

Jetzt also die Öffentlichkeit. Beim Start in Ilmenau am Sonntagmorgen fand noch jeder Mitreisende einen Platz. In den drei Wagen verteilt jeweils ein Kassierer. Mitgefahren ist auch die Spendenbüchse. Der Verein braucht dringend weitere finanzielle Mittel für die Aufarbeitung von Lok und historischen Wagen.

Etwa 25 der 36 Vereinsmitglieder waren am Einsatztag in Zügen, an der Strecke, auf den Bahnhöfen zwischen Ilmenau und Schleusingen tätig. Das verkürzte das Feiertagswochenende. Lokführer Stefan Dick, Heizer Lukas Koch, ein Auszubildender und weitere Vereinsmitglieder hatten am Tag vor der Fahrt alles geölt, kontrolliert, angeheizt. Acht Stunden dauert es, bis der Betriebszustand hergestellt ist. „Der Dampflokbetrieb ist sehr teuer“, sagt Vorstandsmitglied Martin Klemm. Am Pfingstsonntag wollten sie sich „Herantasten“ an die öffentlichen Fahrten. Es sei eine schwierige Planung. Einen Vorverkauf der Dampfbahntickets gab es nicht. Einfach einstiegen, bezahlen und mitfahren lautete das Motto. Über Facebook und Telefon habe es im Vorfeld viele Anfragen gegeben. Deshalb gingen Martin Klemm und die anderen Vereinsmitglieder davon aus, dass das Angebot gut angenommen wird.

Eisenbahnerblut

Maximilien Deckert aus Ilmenau brauchte keinen Sitzplatz. Während der gesamten Fahrt stand er am Fenster. Es sei die alte Technik, die ihn begeistert und etwas vom Eisenbahnerleben liegt ihm wohl auch im Blut. Vater und Onkel waren Eisenbahner. Er ist in dessen Fußstapfen getreten und bei der DB Netz tätig, sagt er. Früher habe er sich in die Arbeit der Rennsteigbahn eingebracht, aber sei nie Vereinsmitglied gewesen. „Ich finde die Strecke richtig schön. Ich würde mir einen Pendelverkehr wünschen mit der Bahn und das nicht nur am Wochenende.“ Sein Blick erfasst das Gläsertal. „Jetzt kommt für mich der schönste Abschnitt.“ Als die Lok ihre drei Wagen zieht, heißt es Kraft sammeln und die Steilstrecke hinauf schnauben. Das rhythmische Stampfen wird schwächer und man wollte am liebsten aussteigen und schieben. Aber sie hat es geschafft. Ruß flog ins Abteil, Qualm und die Laute vom kräftigen Schnauben, fröhlichem Pfeifen und Bimmeln. Stühle, die nicht besetzt waren, kamen durch den starken Anstieg ins Rutschen. Wer seinen Kopf hinaushielt, war gut beraten, eine Brille zu tragen. Auf den Tischen und auf dem Fenstersims hatten sich Kohlepartikel niedergelassen, die in den Wagen geflogen sind. Die Fenstergucker haben aber auch die Quellen und Bäche gesehen, die Wiesen mit dem blühenden Bärwurz, die Felswände links und rechts der Gleise, alte Brücken, steile Hänge, schmale Wege und die Wildschweinfamilie mit ihren Frischlingen.

Fotografen hatten sich nicht nur an der Strecke, sondern auch am Bahnhof Rennsteig versammelt, teilweise waren sie mit Leitern angerückt, um besser sehen zu können. Ein auffälliger blauer Trabant mit Reisekoffer folgte dem Zug. Der Fahrer war genauso aus auf die besten Fotoplätze, wie all die anderen Dampflockbegeisterten. Unterwegs gab es nur wenige Zustiege, am Bahnhof Rennsteig dafür umso mehr. So blieb es. Viele wollten mitfahren, egal ob allein, in Gruppe oder Familie.

„Ich habe mich lange darauf gefreut. Ich bin froh, dass es wieder losgeht“, sagt ein Frauenwalder. Die Fahrgäste mussten sich etwas gedulden, bis es vom Bahnhof Rennsteig in Richtung Schleusingen weiterging. An der Lok stimmte wohl etwas nicht. Doch zu anstrengend für eine 101-Jährige? Stefan Dick wiegelt ab. Man hatte eine undichte Stelle an den Hinterhähnen entdeckt. Ein paar Handgriffe und die Fahrt konnte weitergehen. Ein Pfiff. „Alles einsteigen!“

Strecke und Technik, die begeistern

Familie Preißler aus Schmalkalden bezeichnet sich als große Dampflokfans. „Die alten Maschinen, wie es funktioniert, der Dampf, der Geruch – es ist nostalgisch und erinnert an früher.“

Familie Schröder ist mit ihren zwei Kindern unterwegs. Heute in Eding-Neckarhausen zu Hause, kennen sie Ilmenau von früher. Sie sind aus der Region, haben Familie hier. Die Dampflokfahrt wollten sie auf keinen Fall verpassen. „Es sind Strecke und Technik, die begeistern“, sagte Holger Schröder. In den Anfängen der Rennsteigbahn habe er mitgearbeitet, habe unter anderem geholfen, die Strecke frei zu schneiden. Heute sind es die Vereinsmitglieder aus dem Schleusinger Raum, die sich hauptsächlich um die Strecke kümmern, während die Ilmenauer Seite verstärkt ihre Kraft in die Fahrzeuginstandsetzung stecke, erklärt Martin Klemm. Holger Schröder erinnert sich, dass früher die 94-er Dampflok regelmäßig gefahren ist.

Ein längerer Halt war jeweils in Schleusingerneundorf eingeplant. Hier wurde der Wassertank aufgefüllt. Der erste Schwall ging auf die Gleise. Rostbraun zeigte sich die Brühe. Danach landeten immer vier Kubikmeter Quellwasser in den Tanks der Lok und unzählige Fotos auf Fotoapparaten und Handys. Außer bei der ersten Fahrt hatten die Fahrgäste Gelegenheit, in der Wanderherberge „Alter Bahnhof“ ebenfalls ihren Flüssigkeitsbedarf auszugleichen.

Michael Seifert gehört zum Verein Dampfbahnfreunde mittlerer Rennsteig. Er hat die 94 15 38 als Modell. Es gibt sie in allen Spurweiten bis hin zur Gartenbahn, sagt er. In sechs Epochen werden die Modelle eingeteilt. Das Nummernschild dieser 94-er stammt aus der Epoche drei. Solche Feinheiten und Eisenbahnerromantik erfährt man, wenn man miteinander ins Gespräch kommt. Die nächste Gelegenheit zu einer Fahrt mit dieser Dampflok gibt es im Oktober. Genaue Termine stehen jedoch noch nicht fest, sagt Martin Klemm. Er weist aber darauf hin, dass die „alte Dame“ am 3. Juni zum Kinderfest im Bahnbetriebswerk Arnstadt zu sehen sein wird. Ein weiterer fester Termin ist das Heizhausfest vom 19. bis 21. August in Chemnitz-Hilbersdorf.

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