Die Idee dahinter: Wenn der Lockdown ohne echte Langzeitperspektive Woche um Woche verlängert wird, verlieren zu viele Menschen den Glauben daran, dass sie den Verlauf der Pandemie wirklich beeinflussen können – und missachten vielleicht sogar zunehmend die Corona-Regeln, obwohl tatsächlich das Verhalten jedes Einzelnen dazu beiträgt, die Corona-Zahlen zu erhöhen oder zu senken. In den Worten von Harth: „Ich sehe nur eine Inzidenzzahl, für die ich selbst nicht verantwortlich bin, aber ich darf meinen Laden selbst nicht aufmachen kann.“
Wenn Menschen aber wüssten, dass bei einer bestimmten Infektionslage wieder Treffen mit mehr Angehörigen möglich sein, vielleicht sogar Besuche in Restaurants oder Mannschaftssport, dann animiere sie das dazu, aktiv mitzuhelfen, die Zahlen zu senken. Durch konsequentes Masketragen, durch die Einhaltung von Abständen, durch das Reduzieren von persönlichen Kontakten. Anders ausgedrückt: Ein Stufenplan würde aus dieser Perspektive jedem Menschen noch viel stärker als bisher das Gefühl geben, eine aktive Rolle im Kampf gegen die Pandemie zu spielen; statt ihm zu einem gefühlten Opfer der Krise zu machen.
So sehr Dickmann, Harth und auch andere Wissenschaftler allerdings betonen, dass ein Stufenplan nicht nur bedeutet, dass Beschränkungen gelockert, sondern dass sie bei steigenden Zahlen auch wieder verschärft werden müssen, so sehr plädieren sie dafür, nicht nur auf die Inzidenzwerte zu schauen, um das Infektionsgeschehen in Thüringen, ja in ganz Deutschland zu bewerten. Die Frage, wie viele Intensivbetten für Corona-Patienten zur Verfügung stehen, müsse dabei zum Beispiel ebenfalls berücksichtig werde. Oder die Frage, wie viele Corona-Tests zuletzt positiv ausgefallen seien. Oder, ob die bekannt gewordenen Ausbrüche sich zum Beispiel auf ein Pflegeheim konzentrieren oder voneinander unabhängig in der Fläche ausgetreten sind.
Ähnliche Überlegungen sind im Thüringer Corona-Stufenplan – dessen Umsetzung derzeit ausgesetzt ist – zwar schon verankert. Sie zeigen aber auch, dass ein Stufenplan wohl ein wichtiges Instrument ist; dass auch er der Umgang mit Corona aber nicht zu einer einfachen Sache macht.