Erholt, ehrlich und extrem realistisch wirkte Münchens neuer Hoffnungsträger, als er über das Bevorstehende sprach. "Es werden nicht alle Spieler super-happy sein. Es passiert ein großer Umbruch, wenn ein Cheftrainer geht. Da kann Unsicherheit entstehen", sprach Tuchel offen die vorhandene Situation und damit auch Risiken an. "Es ist aber trotzdem so, dass wir den Druck lieben, den Stress lieben. Das ist das, was mein Leben ausmacht."
Brisanter Start
Ab Montag wird der Schwabe die Münchner auf den Klassiker gegen die Dortmunder nach der Länderspielpause vorbereiten. Am 4. April steht im Pokal-Viertelfinale gegen Freiburg die nächste Kraftprobe an, bevor eine Woche später das Viertelfinal-Hinspiel in der Königsklasse bei Pep Guardiolas Manchester City steigt. Brisant: Im Champions-League-Finale 2021 hatte Tuchel mit Chelsea gegen Guardiolas Citizens gewonnen. Der FC Bayern wünscht sich in diesem Jahr Tuchels nächsten Königsklassen-Coup.
Das ruhmreiche Bewerbungszeugnis des 49-Jährigen überzeugte die Bayern-Bosse. "Eine beeindruckende Vita", bescheinigte Vorstandschef Kahn dem neuen Trainer. "Wir brauchen jetzt so einen Top-Mann", sekundierte Sportvorstand Salihamidzic. Am Dienstag hatte der Sportvorstand die Verhandlungen mit Tuchel aufgenommen. "Ich habe Thomas angerufen. Dann sagt er: Was willst du? Ich sage: Wenn du keinen Bock hast, dann leg' auf", schilderte Salihamidzic lachend die erste Kontaktaufnahme. Tuchel hat Bock - und wie!
Anders als bei den vergleichsweise schnellen Vertragsgesprächen musste Tuchel lange warten, bis sich auch für ihn die Türen zum großen Pressesaal in der Arena öffneten. Knapp 30 Minuten widmeten Kahn und Salihamidzic zuvor der Aufarbeitung der Nagelsmann-Zeit. "Wir haben einen der besten Kader in Europa. Und trotzdem ist die Leistungskontinuität der Mannschaft nicht wirklich besser geworden. Wir können in der Rückrunde mit den Resultaten und den häufig gezeigten Leistungen nicht zufrieden sein", begründete Kahn die Freistellung.
Klare Worte vom Sportvorstand
Salihamidzic ließ noch tiefer blicken. "Die Konstellation zwischen Trainer und Mannschaft hat nicht mehr gepasst", berichtete der 46-Jährige. Die Summe aus Trainer und Team hätte zwei ergeben müssen, zuletzt sei sie eher 0,5 gewesen. Die Leistungskurve sei "ständig nach unten" gegangen, viele Spieler hätten nicht mehr ihre Topform erreicht. "Das Abbild von all dem hat man auf dem Platz gesehen", sagte Salihamidzic deutlich.
An Tuchels professionellem Verhältnis zu Nagelsmann ändert sich nach dem Blitz-Trainerwechsel nichts. "Ich kann nachvollziehen, dass es sich für Julian im Moment sehr bescheiden anfühlt. Es ist aber nicht meine Verantwortung. Und deshalb erlaube ich mir, positiv und mit voller Vorfreude den Job anzunehmen", sagte er. Schon wieder grinsten die Bayern-Bosse.