Bürgerentscheid Bürgermeister Kummer ist abgewählt

Hoffen und Bangen im Büro der Linken in Hildburghausen, das nichts hilft: Bürgermeister Tilo Kummer (links) ist abgewählt. Foto: Bastian Frank

Laut vorläufigem Ergebnis bekommt die Kreisstadt Hildburghausen einen neuen Bürgermeister. Im Bürgerentscheid haben 2853 Wahlberechtigte den Amtsinhaber Tilo Kummer (Die Linke) abgewählt.

 
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Tilo Kummer muss seinen Bürgermeisterstuhl im Rathaus der Kreisstadt Hildburghausen räumen – so sagt es das vorläufige Ergebnis des Bürgerentscheids am Sonntag. Nach fast dreijähriger Amtszeit haben 2853 Wahlberechtigte gegen den 54-Jährigen gestimmt. Damit ist neben der einfachen Mehrheit die erforderliche Anzahl von mindestens 30 Prozent der Stimmen (2802 Stimmen) der 9338 Wahlberechtigten für eine Abwahl erreicht worden. 1390 Wahlberechtigte votierten dafür, dass Kummer im Amt bleibt. Die Wahlbeteiligung lag bei 45,6 Prozent. Das vorläufige Ergebnis muss noch vom Wahlausschuss und von der Kommunalaufsicht des Landkreises bestätigt werden. Der Wahlausschuss tagt am Montagabend.

Gestörtes Vertrauensverhältnis

Kummer wurden nicht etwa rechtliche Verstöße oder Amtsmissbrauch vorgeworfen. In dem Abwahlantrag hatten die Unterzeichner argumentiert, das Vertrauensverhältnis der Bürger zum Bürgermeister sei gestört. Außerdem wurden Kummer immer wieder schlechter Führungsstil und unzureichende Kommunikation mit Stadträten, Vereinen, Unternehmern, aber auch Einwohnern allgemein vorgeworfen. Streitthemen waren unter anderem die drei städtischen Kindergärten, die Feuerwehr sowie nicht abgeschlossene Projekte wie die Sanierung des Freibades und des Werner-Bergmann-Stadions, in dem der mit mehr als 300 Mitgliedern größte Verein der Stadt, der FSV 06 Eintracht Hildburghausen, bereits seit einigen Jahren nicht spielen kann.

„Das Wahlergebnis enttäuscht mich“, sagte Kummer. „Ich hatte mir einen anderen Ausgang erhofft.“ Er habe eine andere Stimmungslage in der Stadt wahrgenommen, sich diesbezüglich aber offensichtlich getäuscht. „Es ist ein klares Ergebnis und der klare Wunsch der Wähler, einen anderen Bürgermeister zu haben.“ Er wünsche sich für die Stadt, in deren Ortsteil Gerhardtsgereuth er wohnt, einen Bürgermeister aus dem demokratischen Spektrum. „Möge der Stadtrat mit ihm anders umgehen, als er es mit mir getan hat“, sagte Kummer mit Verweis auf teilweise große Kommunikations- und Abstimmungsprobleme. Eine Reihe von Stadträten sind indes der Meinung, daran habe Kummer die größte Aktie.

Kontroverse innerhalb der SPD

Der langjährige Landtagsabgeordnete Tilo Kummer hatte die Bürgermeisterwahl am 8. März 2020 überraschend bereits im ersten Wahlgang mit 51,8 Prozent der Stimmen gewonnen. Am 15. Dezember 2022 hatten alle Stadträte außer der Fraktion Die Linke und der fehlenden Kristin Obst (CDU) mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit das Abwahlverfahren eingeleitet. Das waren 17 Stadträte der Fraktionen Wählergruppe Feuerwehr, AfD, Wählergruppe Feuerwehr, SPD und der rechtsextremen Wählervereinigung Bündnis Zukunft Hildburghausen (BZH). Diese Abstimmung hatte Kontroversen innerhalb der SPD in Thüringen ausgelöst. Führende Thüringer SPD-Politiker hatten davor gewarnt, das Abwahlverfahren gegen Kummer zusammen mit der AfD und des BZH auf den Weg zu bringen. Die drei SPD-Stadträte, von denen Carolin Seifert, inzwischen aus der Partei ausgetreten ist, aber in der Fraktion verblieb, hatten damit auch Warnungen von Thüringens SPD-Chef Georg Maier ignoriert, der zuvor gesagt hatte: „Wir können eine Abwahl eines Linken-Bürgermeisters nicht mit Stimmen der AfD auf den Weg bringen.“ Sie wollten sich nicht vorschreiben lassen, wie sie abzustimmen haben, hatten sie argumentiert.

Aufforderung zum Rücktritt

Bevor die Stadträte den Bürgerentscheid in Gang gesetzt hatten, hatte eine Bürgerinitiative Bürgermeister Kummer eine Sammlung von circa 1000 Stimmen übergeben und ihn zum Rücktritt aufgefordert.

Stimmen zum Wahlergebnis

Florian Kirner (parteiloser Bürgermeisterkandidat)
Sein erster Gedanke nach dem Wahlergebnis: „Gott sei Dank“. Nachdem er den Tag entspannt im Wald und mit netten Menschen verbracht hatte, fühlte er Richtung 18 Uhr zunehmende Anspannung, die sich steigerte, bis das endgültige Ergebnis feststand. „Wäre die Abwahl an wenigen Stimmen gescheitert, obwohl sich so viele Menschen dafür ausgesprochen haben, wäre Hildburghausen in die Situation der Unregierbarkeit gekommen. Jetzt allerdings können wir uns als Stadt neu aufstellen. Dabei ist es wichtig, eine neue Art des Umgangs miteinander zu etablieren. Diese beginnt mit dem bevorstehenden Wahlkampf. Als Bürgermeisterkandidat werde ich den Menschen ein inhaltliches Angebot unterbreiten, das auf konkreten Lösungen und Perspektiven basiert und Hildburghausen zu einer familienfreundlichen Kommune mit Strahlkraft entwickelt.“

Brigitte Wütscher (Stadträtin Pro Hbn)
ist am Sonntagabend glücklich und erleichtert, froh und voller Zuversicht, dass Hildburghausen in eine erfolgreiche Zukunft starten wird. „Es war eine wahnsinnige Zitterpartie und das Quorum wurde relativ knapp erreicht. Wir waren psychisch am Limit, weil wir in den vergangenen Wochen alles gegeben haben. Freitag und Samstag standen wir noch am Hagebaumarkt und haben für die Abwahl mobilisiert. Wir haben gekämpft und es hat sich gelohnt. Danke an alle Menschen, die uns unterstützt haben und zur Wahl gegangen sind. Nun können wir Richtung Zukunft starten. Es gibt bereits verschiedene Kandidaten, möglicherweise kommen weitere dazu. Es dürfte also für jeden Wählergeschmack ein Kandidat dabei sein, der ihn an die Wahlurne lockt.

Steffen Harzer (Stadtrat, Die Linke)
 hatte nicht damit gerechnet, dass die Wahlbeteiligung bei den Kummer-Befürwortern so gering sein wird. „Ich war optimistisch, dass das Quorum nicht erreicht wird. Allerdings haben die Leute, die gegen Tilo Kummer sind, sehr stark mobilisiert. Die Stimmung ist in den vergangenen 14 Tagen gekippt. Das Thema Schwimmhalle und verschiedene Veröffentlichungen haben unter anderem dazu beigetragen. Es ist, wie es ist. Wir werden das Ergebnis parteiintern auswerten und uns Richtung Neuwahl entsprechend aufstellen. Wir werden das Feld nicht kampflos räumen, sondern einen Kandidaten präsentieren. Ich hoffe sehr, dass nach diesem Abwahltag die Spaltung in der Stadt aufhört. Und ich bin gespannt, wie es in Hildburghausen weitergeht in den nächsten Wochen, wie Projekte weitergeführt werden unter Burkhard Knittel, der in den vergangenen Tagen mit Kritik schlecht umgehen konnte und aus meiner Sicht sehr empfindlich reagiert hat.“

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