Brief an Müller Es blühen die Narziss(t)en

Jessie Morgenroth
Herr Müller bekommt täglich Post aus der Lokalredaktion. Foto: Freies Wort

Jessie Morgenroth schreibt an Herrn Müller und macht sich Gedanken zu Blumen und Menschen.

 
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Natürlich haben Sie recht, lieber Herr Müller, ... ... es ist Frühling und das ist gut so. Langsam kommt die Sonne raus, es bleibt länger hell und auch die Natur beginnt zu blühen. Das wiederum gefällt den Pollenallergikern nicht, doch wenn die roten Augen dank Tropfen wieder abgeschwollen sind, können sie sich vielleicht aus der Distanz, hinter ihrer Fensterscheibe, an den bunten Eindrücken erfreuen. Auch ich habe schon die ersten Frühblüher entdeckt – Frühblüher, sagt man das im April noch? Na ja, egal. Jetzt, zu Ostern, ist natürlich die Osterglocke, oder auch gelbe Narzisse, hoch im Kurs. Sie strahlt mit ihrer grellen Farbe förmlich der Sonne entgegen. Doch Obacht, lieber Müller. Im Gegensatz zur narzisstischen Osterglocke, die im Frühjahr Saison hat, blühen menschliche Narzissten das ganze Jahr über – und man geht ihnen am besten aus dem Weg. Mag sein, dass sie äußerlich ebenso schön anzusehen sind wie die Blumen, doch es kommt auf die inneren Werte an. Und da, Müller, sind Narzissten mit Vorsicht zu genießen, legen sie im Gegensatz zu Narzissen ein stark egoistisches, arrogantes und selbstsüchtiges Verhalten an den Tag. Ihre Welt dreht sich nur um sie selbst. Doch während bei einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung meist nur eine Psychotherapie hilft, sind Narzissen pflegeleichter. Sie freuen sich über Wasser, Sonne und ein wenig Düngemittel. Und im Gegensatz zu Narzissten vermiesen sie anderen Menschen nicht den Tag.

Mit freundlichen Grüßen

Jessie Morgenroth

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