Brief an Müller Das Leiden junger Pressevertreter

Nele Zuber
Herr Müller bekommt täglich Post aus der Lokalredaktion. Foto: Freies Wort

Nele Zuber schreibt an Herrn Müller und macht sich Gedanken dazu, wie man sich am besten als Pressevertreterin erkenntlich zeigt.

 
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Natürlich haben Sie Recht, lieber Herr Müller, ...

die Leute tun sich schwer damit, mich auf Anhieb der Presse zuzuordnen. Verständlich, schließlich sehe ich nicht nur jung aus, sondern bin mit meinen 19 Jahren auch noch jung. Doch Sie glauben mir gar nicht, in welche unangenehmen Situationen mich dieser Umstand schon gebracht hat. Termine in Schulen sind für mich besonders schrecklich, da ich mich kaum von den anwesenden Schülern unterscheide. Einmal hat mir eine besonders streng wirkende Lehrerin mein Handy abnehmen wollen, da an dieser Schule Handyverbot herrschte. Zum Glück konnte ich die Situation noch richtigstellen und mein Handy behalten. Der Musterschülerin in mir ist allerdings trotzdem das Herz in die Hose gerutscht. Seitdem gebe ich mir besonders viel Mühe, so auszusehen, als würde ich für die Zeitung arbeiten. Zu Terminen erscheine ich grundsätzlich nur noch mit einem ochsenschweren, uralten Fotoapparat, der schon lange kein scharfes Bild mehr erzeugt. Ich habe mir sogar angewöhnt, Informationen per Hand in ein Notizbuch zu schreiben. Nach jahrelanger Arbeit am Laptop fällt es mir immer noch schwer, meine eigene Handschrift zu entziffern. Wenn ich in Schulen unterwegs bin, trage ich meinen Abschlusspullover, auf dem nicht nur groß „Abiturjahrgang 2022“ geschrieben steht, sondern der auch noch mit einem scheußlichen Tintenfisch bedruckt ist. Ich wusste damals schon, dass mir unser Abimotto noch auf die Füße fallen wird. Was tut man nicht alles, um sein Handy behalten zu dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

Nele Zuber

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