Bratwurst-Test Ilmenau hat den Zipfel vorne

Es war der erste Bratwurst-Wettbewerb, in dem Exemplare aus Südthüringen und Oberfranken gegeneinander antraten – und es gab einen Überraschungssieger. Eine Thüringer Bratwurst mit kräftig viel Kümmel aus Ilmenau setzte sich bei den strengen Juroren durch. Eigentlicher Sieger war allerdings die Vielfalt aller acht so grundverschiedenen Würste, meisterhaft gemacht von heimischen Metzgern in der gemeinsamen Bratwurstregion Franken und Thüringen.

 
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Könige unter sich, das heißt auch, dass das Ornat stimmen muss. Der Bayreuther Wiesenmüller, immerhin zweifacher fränkischer Bratwurstkönig, warf sich in seinen roten Umhang, Krone mit Bratwurst auf den Kopf und Zepter in die Hand. Der Suhler Abt gab sich in blauem Umhang, roter Weste und roten Gamaschen die Ehre. In den Landesfarben von Thüringen. Stilecht im schwarzen Hemd, aber ohne Ornat dagegen Sternekoch Leist, der mit BjoernsOx in Dermbach/Rhön das einzige mit einem Michelin-Stern gekrönte Restaurant in Südthüringen hat.

Von der hessischen Grenze über Suhl, Kulmbach, Bayreuth, quer übers Fichtelgebirge bis Hof. Die doch so unterschiedlichen Regionen Südthüringen und Oberfranken verbindet nicht nur, aber doch auch die Bratwurst. In all ihren Facetten, Geschmacksrichtungen und wie sie gebraten wird. Denn gebraten wird sie immer, auch wenn ein Laie das als „Grillen“ bezeichnen würde, wie Ralf Linke, Wirt des Waldhotel Hubertus, die Würste zubereitete. In Eisfeld, genau auf der Grenze zwischen Thüringen und Bayern. Regel: „Man brät die Wurst, auch wenn man sie nicht brät“, sagt der Thüringer König. Keiner der Tester wusste vorher, welche Wurst er gebraten auf den Teller bekam. Sie wurden verdeckt angeliefert, ein ausgeklügeltes System mit Nummern sorgte dafür, dass alle drei ahnungslos blieben.

Der Grill raucht, das Mittelstück der ersten Wurst kommt auf einen Teller. „Die kann man schon mal essen“, sagt Sternekoch Leist. Bemerkenswert: Es war eine Wurst vom Discounter Lidl, die hier außer Konkurrenz läuft. Kein Wunder, sagt der rote König. Hätten doch die großen Fleischkonzerne auch jede Menge gut ausgebildeter Metzger in ihren Reihen.

Jeder der drei Experten hat eine eigene Methode, mit dem Stückchen Wurst vor ihm auf dem Teller umzugehen. Die Könige drücken sie mit ihren Gabeln, schauen sie sich an, sezieren das Fleisch und es sieht aus, als ob sie eine Weinprobe machen, wenn sie es im Mund haben.

Sternekoch Björn Leist schneidet und drückt das Stückchen zwischen den Fingern, um die Konsistenz zu testen. So geht das Wurst für Wurst, Stück für Stück.

„Früher war mehr grob“, sagt der fränkische König in Rot, jetzt aber gehe es auch wieder in Richtung Grob. „Ja, das signalisiert die Handarbeit“, sagt der Thüringer König in Blau. Rot: „Früher gab es nur die Mühlen, keine Topmaschinen.“ Blau: „Ja, die Entwicklung des Kutters“ habe entscheidend zur Entwicklung der Bratwurst beigetragen. Hier Thüringen, dort Franken, aber welcher Geschmack ist jetzt der beste? Blau: Geschmackssache. „Sonst würden wir uns alle in dieselbe Frau verlieben.“ Einhellige Expertenmeinung: „Bratwurst geht immer.“ Es kommt die zweite.

Aber dass sie zum bloßen Fast Food verkommen ist, stimmt nicht. Selbst Sternekoch Leist hat sie auf der Speisekarte. „Als Hommage an die Regionalität.“ Der König in Rot betont, dass er sie selbst auf dem Staatsempfang zu den Bayreuther Festspielen serviert. „Egal, wie hochdekoriert die Leute sind, das geht immer.“ Es folgt die dritte Wurst.

Gibt es wirklich so viel über die Bratwurst zu reden? Thüringen und Bayern haben bundesweit die höchste Metzgereien-Dichte. Immer noch, auch wenn viele Meisterbetriebe schließen müssen, weil kein Nachwuchs mehr da ist. Den roten König drückt seine Krone, sie ist immerhin aus Metall und schwer. Der blaue kennt das Problem. Der Sternekoch drückt die vierte Wurst zwischen seinen Fingern.

Inzwischen sind die drei auf einen Trend zu sprechen gekommen. Vegane Würste finden sie seltsam. „Wenn ich eine Bratwurst essen will, esse ich eine Bratwurst“, sagt Sternekoch Leist. Überhaupt erteilen alle drei nichttierischen Sachen in Wurst- und Fleischform eine Abfuhr.

Bis die fünfte Wurst kommt, singt der blaue König. „Ne Wurst, ne gute Wurst, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt.“ Ein paar Zeilen weiter: „Drum sei auch nicht betrübt, wenn es einmal Tofu gibt.“ Melodie nach „Ein Freund, ein guter Freund“.

Vor der sechsten Wurst diskutieren die drei darüber, ob es immer Holzkohle sein müsse, oder ob nicht auch ein Gasgrill ausreiche. Eigentlich, auch darüber herrscht Einigkeit, sollte es schon Holzkohle sein. „Aber die Leute werden immer bequemer“, sagt der rote König. Der blaue nickt. Der rote weiß, dass die Leute oft gar nicht mehr mit frischer Ware – Bratwürste sind immerhin rohes Fleisch – umzugehen wüssten. So lange haltbar sind sie nicht. Sie seien verwöhnt vom Discounter, der Wurst sogar in Kleinstmengen verkaufe. Aber mit viel Plastik außenrum. „Aber man beschwert sich, dass keine Plastikbecher für Kaffee über die Straße mehr verkauft werden sollen.“ Die nächste Wurst.

Die knallt auf die Geschmacksnerven. „Ein deutlicher Unterschied“, sagt der blaue König. Und der rote und der Koch nicken. Womit sie beim Kümmel wären. Der Rennsteig gilt als sogenannter Kümmeläquator. „Das gibt’s bei uns Franken nicht“, sagt der rote König. Der blaue sagt über die Bratwurstregion Franken-Thüringen: „Die Geschmacksvielfalt ist das Entscheidende.“ Und auf eine „McDonald’s-Einheitsbratwurst“ wolle sich keiner einigen. Auch die Form ist unterschiedlich. Der rote König erlaubt Bratwurstschnecken, kein Wunder: Er ist der Erfinder des Bratwurst-Lollis.

Letzte Wurst. Die Noten von 1 bis 10 sind wie beim Tanzen vergeben. Dass grobe gegen feine Würste antraten, hat es laut den Königen etwas schwieriger gemacht. Der Thüringer auf seinem Bratwurst-Gipfel in Suhl vergibt sonst eher Noten nach Erscheinung der Bräter und dem Ambiente. Weniger nach Geschmack. Der Franke auf dem Pegnitzer Bratwurstgipfel hingegen benotet auch den Geschmack. Trotzdem sind sich Könige und Koch einig: Alle waren super gebraten. Und geschmeckt haben sie auch alle.

Nach drei Stunden Test sind nur noch die Zipfel übrig. Und die Gewissheit: „Jede ist unterschiedlich.“ Aber alle sind gut. Es ist und bleibt Geschmackssache.

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